21.06.2022 | Der Vorstand der IG Metall empfiehlt den regionalen Tarifkommissionen der Metall- und Elektroindustrie, in einem Korridor zwischen 7 und 8 Prozent höhere Entgelte für 12 Monate zu fordern.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: „Den Unternehmen geht es gut. Nicht gut geht es aber den Beschäftigten beim Blick auf Supermarkt- und Energierechnungen.“ Das gelte für die Jahre 2022 und 2023, die der jetzt zu findende Tarifabschluss berücksichtigen müsse. „Im Gegensatz zu Unternehmen können Beschäftigte gestiegene Preise nicht weitergeben. Auch angesichts der guten Auftrags- und Ertragslage ist eine ordentliche Erhöhung geboten, um über die Tarifpolitik einen Beitrag für gute Kaufkraft zu leisten“, sagte Hofmann. In der Branche arbeiten über 3,8 Millionen Beschäftigte.
Der IG Metall-Vorstand begründet seine Forderungsempfehlung mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Nach einem Einbruch im März sind die Erwartungen der Unternehmen mit Blick auf Produktion, Beschäftigung und Export im Vergleich zum Zeitraum davor angestiegen und stabil. Die Reichweite der Aufträge in der Metall- und Elektroindustrie rangiert auf einem historischen Höchstwert.
Laut einer Betriebsrätebefragung der IG Metall bei über 2400 Betrieben beurteilen rund 84 Prozent ihre Auftragslage als „gut“ oder „eher gut“, nur 2,6 Prozent als „schlecht“. 69 Prozent erwarten in den kommenden sechs Monaten eine gleichbleibende Auftragslage, 18 Prozent sogar eine bessere. Zudem sind die Betriebe gut ausgelastet: Zwei Drittel haben derzeit eine normale (20 %) oder hohe Kapazitätsauslastung (43 %). Auch mit Blick auf die Ertragslage 2022 sind 70 Prozent der Betriebe optimistisch.
Jörg Hofmann: „Wir beweisen wiederholt Vernunft und Verantwortung. Die Beschäftigten haben nach vier Jahren wieder eine ordentliche Erhöhung ihrer Entgelttabellen verdient. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Politik, dass sie zugleich beim gewaltigen Problem der Preisanstiege steuernd eingreift. Wir können die aktuellen Teuerungsraten nicht allein über Tarifpolitik ausgleichen.“
Die letzte tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte in der Metall- und Elektroindustrie ist im April 2018 erfolgt. Der Tarifabschluss 2021 beinhaltete neben einer Corona-Prämie eine neue jährliche tarifliche Sonderzahlung (Transformationsgeld). Im krisenbedingten Tarifabschluss im Juni 2021 wurde eine Laufzeit bis September 2022 vereinbart, so dass nach Sicht der Tarifparteien angesichts der damals herrschenden Unsicherheit für das Jahr 2022 noch eine Korrektur der Entgelte erfolgen kann. Somit steht in der Metall- und Elektroindustrie die Entgeltentwicklung 2022 und bei 12 Monaten Laufzeit fast des kompletten Jahres 2023 zur Verhandlung.
Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter, kommentiert die Forderungsempfehlung des IG Metall-Vorstandes wie folgt: „Im Angesicht der wohlstandsfressenden Inflation passt ein solcher Forderungsrahmen in die Zeit und berücksichtigt die durchaus differenzierte Lage in der Metall- und Elektroindustrie. Trotz anhaltender, globaler Krisen gestaltet sich die Situation in der Branche divers und vielfach sehr positiv. Gute Quartalsberichte und Rekorddividenden zeigen, dass viele der Betriebe gut durch die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten navigieren und es schaffen, die gestiegenen Kosten durch Energie- und Rohstoffpreise an ihre Kunden weiterzugeben. Eine falsche Zurückhaltung in der Lohnpolitik würde allerdings notwendige, wirtschaftliche Impulse abschneiden!“ Man werde die Empfehlung des Vorstandes sorgsam diskutieren.
Am 30. Juni kommen dann in den drei Tarifgebieten (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim) des IG Metall-Bezirks die Tarifkommissionen zusammen, um entsprechend zu beraten und eine Forderung zu beschließen. Die endgültige Forderung beschließt die IG Metall auf der Vorstandssitzung am 11. Juli. Die Verhandlungen in den Tarifgebieten beginnen Mitte September. Der Entgelt-Tarifvertrag läuft am 30. September aus. Die Friedenspflicht endet mit dem 28. Oktober 2022. Für die Volkswagen AG und die VW-Tochterunternehmen tagt die Tarifkommission am 6. Juli und wird eine Forderung auf den Weg bringen.
Gröger fügt an: „Es ist wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben einen Ausgleich für den Kaufkraftverlust erhalten. Das Gespenst einer Lohn-Preis-Spirale wird vor allem von der Arbeitgeberseite bemüht, um die berechtigten Forderungen zu drücken. Viel eher sehen wir jedoch eine Profit-Preis-Spirale. Die aktuellen Inflationsraten lassen sich jedenfalls nicht mit den bedachten Abschlüssen der vergangenen Krisenjahre begründen. Zugleich ist klar: Tarifpolitik alleine kann nicht die entstehende Lücke im Portemonnaie auffangen: Dahingehend erwarten wir weiter von der Politik, dass sie entsprechende und sozial-gestaffelte Entlastungsmaßnahmen auf den Weg bringt. Gemeinsam können wir die Inflation bekämpfen - wir werden den Druck weiter hochhalten!“