"Jede Krise braucht einen Kapitän, Herr Kanzler!"

Rund 200 Metallerinnen und Metaller setzen Zeichen für Brückenstrompreis in Salzgitter

27.09.2023 | Die IG Metall setzt die Bundesregierung weiter unter Druck, indem sie vom 25. bis 29. September 2023 deutschlandweit eine Aktionswoche durchführt. In dieser Woche zeigen Gewerkschaften, Betriebsräte und Vertrauensleute Flagge für den Industriestandort Deutschland und betonen ihre Forderung nach einem Brückenstrompreis. Beispielsweise fand in Salzgitter 27. September eine Delegiertenversammlung der IG Metall statt, bei der der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) zu Gast war.

Foto: intern

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Die Stromkosten sind im Jahr 2022 enorm angestiegen und, obwohl sie inzwischen gesunken sind, liegen sie immer noch dreimal höher als im Jahr 2020. Dies stellt ein erhebliches Problem für energieintensive Industrien dar. Die hohen Stromkosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, was zum Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte. Bereits jetzt reduzieren energieintensive Betriebe teilweise ihre Produktion. Zudem fehlt den Unternehmen das Geld für wichtige zukünftige Investitionen. Die Unternehmen müssen ihre Produktion klimafreundlich umstellen, was zu einem erhöhten Stromverbrauch führt und das Problem der hohen Strompreise verschärft. Daher ist ein Brückenstrompreis umso wichtiger.

IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger erklärt: „Der Druck auf dem Kessel ist riesig. Jede Krise braucht einen Kapitän, Herr Kanzler. Ihr Zögern gefährdet die Industrie und damit reale Existenzen und Arbeitsplätze. Der Brückenstrompreis muss noch vor dem Winter auf den Weg gebracht werden. Er sollte nur für die energieintensive Industrie gelten und zeitlich klar begrenzt sein. Jede Brücke hat einen Anfang und ein Ende. Auch die IG Metall möchte keine Dauersubvention mit der Gießkanne.“

„Es ist entscheidend, die Grundstoffindustrie in Deutschland zu erhalten, da Branchen wie Stahl, Aluminium und Chemie am Anfang komplexer Wertschöpfungsketten stehen. Das betrifft uns hier in Salzgitter und in Peine natürlich im besonderen Maße. Wenn der Strompreis sich weiter zur Bremse für Investitionen in Zukunftstechnologien entwickelt, drohen Unternehmenspläne zu platzen, Betriebe abzuwandern und hunderttausende gut bezahlte und tariflich gesicherte Arbeitsplätze verloren zu gehen. Das würde einen erheblichen Verlust für die deutsche Wirtschaft bedeuten und hunderttausende Familien in eine existenzielle Schieflage bringen, die seit Jahrzehnten hier ihre Erwerbsbiografie haben“, fügt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Salzgitter-Peine, Matthias Wilhelm, an. Auch für den Klimaschutz wäre es nicht förderlich, wenn Unternehmen in energieintensiven Branchen ins Ausland abwandern würden, da die Umweltstandards in anderen Ländern oft niedriger sind.

Auch der in Salzgitter anwesende Minister Lies unterstrich die Notwendigkeit eines Transformationsstrompreises und dankte der IG Metall für ihren Einsatz: „Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften und insbesondere der IG Metall sehr dankbar für die gemeinsame Initiative und den vehementen Einsatz für einen Transformationsstrompreis. Denn wir brauchen jetzt eine aktive Industrie- und Standortpolitik. Unsere Unternehmen stehen in einem Standortwettbewerb, der so knallhart geführt wird, wie lange nicht. Die hohen Energiepreise wirken von der einen Seite, die Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen in die Transformation der Produktion erhöhen den Druck von der anderen Seite. Und die Standort- und Investitionsentscheidungen werden nicht in irgendeiner fernen Zukunft getroffen, sondern jetzt. Niedersachsen hat hier einen konstruktiven Vorschlag vorgelegt. Und dieser wird von einer breiten Mehrheit gemeinsam mit den Sozialpartnern unterstützt. Für den Übergang brauchen wir als Brücke eine solche Dämpfung der Energiekosten. Und klar ist auch, dass das einhergehen muss mit Investitionen an den Standorten.“

Der Brückenstrompreis ist ein spezieller Strompreis für energieintensive Industriebetriebe. Er wird "Brückenstrompreis" genannt, weil er den Unternehmen Zeit geben soll, bis ausreichend günstiger Ökostrom verfügbar ist. Die Energieversorgung der energieintensiven Industrie soll langfristig über Windparks auf See sichergestellt werden, deren erzeugter Strom zu Herstellungskosten sehr günstig bezogen werden kann. Allerdings müssen diese Windparks noch gebaut werden, was voraussichtlich bis etwa 2030 dauern wird. In der Zwischenzeit soll der Brückenstrompreis diese Zeit überbrücken, bis grüner Strom in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist.

Beim Brückenstrompreis greift die Bundesregierung in den Energiemarkt ein, indem sie den Strompreis für bestimmte Unternehmen auf eine vorab festgelegte Höhe begrenzt. Die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem festgelegten Brückenstrompreis wird vom Bund bezahlt. Die IG Metall fordert einen Brückenstrompreis von 5 Cent pro Kilowattstunde, inklusive Steuern und Abgaben. Dadurch hätten die Unternehmen keinen so großen Wettbewerbsnachteil mehr. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim Strompreis an der Spitze: In Deutschland zahlte die Industrie im Jahr 2023 im Schnitt über 23 Cent, während es in Frankreich weniger als fünf Cent und in den USA oft weniger als vier Cent sind.

Ende Mai hat Wirtschafts- und Klimaminister Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) ein Konzept für einen Industriestrompreis vorgelegt, der inzwischen als Brückenstrompreis bezeichnet wird. Die FDP lehnt diesen bisher ab, während die Grünen und die SPD einen solchen Brückenstrompreis unterstützen. Der Bundeskanzler ist noch nicht überzeugt, und auch in der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Positionen von dringender Notwendigkeit bis hin zu strikter Ablehnung.

Im August hat sich eine Allianz pro Brückenstrompreis gebildet. Sie besteht aus der IG Metall, IG BCE, DGB und den Industrieverbänden der energieintensiven Industrie, welche allesamt Druck auf die Politik erhöhen. Arbeitsplätze hängen davon ab. Laut einer aktuellen Kurzstudie der Allianz für Brückenstrompreis hängen bis zu 2,4 Millionen Arbeitsplätze und gut 240 Milliarden Euro Wertschöpfung an der energieintensiven Industrie.

 

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