25.11.2021 | Coronabedingt findet der für diese Woche geplante 13. Deutsche Seniorentag in Hannover nur im digitalen Format statt. Das geplante Panel der IG Metall zur Alterssicherung mit dem Titel „Jung und Alt: Wir. Alle. Zusammen. Für eine gute Rente!“ wird nicht ausgerichtet. Dennoch bleibt die Thematik der Rente omnipräsent: Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, plädiert für einen dringend notwendigen Kurswechsel in der Rentenpolitik.
Denn die Rente sei, eben anders als 1986 von Dr. Norbert Blüm verkündet, alles andere als sicher. „Als IG Metall treibt uns das Thema der Altersversorgung und Alterssicherung um. Es geht dabei um Gerechtigkeit. Wer Jahrzehnte lang harte Arbeit verrichtet hat, soll seinen Lebensabend sorglos statt in Geldnot und Armut verbringen. Die IG Metall plädiert für einen grundlegenden, solidarischen Neuaufbau des Systems der Alterssicherung in Deutschland. Wir finden: Die Weichen in der Alterssicherung sind falsch gestellt“, hebt Gröger hervor.
Trotz der Einführung einer Grundrente, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, der Haltelinie des Rentenniveaus bis 2025 oder der abschlagfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren, brauche es dringende Nachjustierungen am bestehenden System, sonst wird man den „Patienten auf der Intensivstation nicht retten können!“, sagt der Metaller bezugnehmend auf die Aussage von Rudolf Dreßler (SPD) aus dem Jahr 1997. Gröger fordert mit Blick nach Berlin von der kommenden Bundesregierung das Thema der Rente nicht mehr stiefmütterlich zu behandeln, sondern nach ganz oben auf die Agenda zu stellen.
In der derzeitigen politischen Debatte würde die Rentenfrage stets aus der Perspektive der Beitragshöhe geführt. Die solidarische Sicherung des Einkommens im Alter und bei Erwerbsminderung dürfe nicht zu viel kosten. „Das ist doch ein völlig falscher Ansatz, es ist höchste Eisenbahn für einen Kurswechsel in der Alterssicherungspolitik. Nicht möglichst niedrige Beitragssätze für Arbeitgeber bei gleichzeitig hohen Zusatzbelastungen durch Privatvorsorge für die Beschäftigten, sondern auskömmliche Renten sind die Sicherungsaufgabe des Sozialstaates.“, fährt der Gewerkschafter fort: „Als IG Metall setzen wir uns für den Menschen ein, das heißt: Ein reiches Land wie Deutschland muss sich auch ein Rentensystem leisten, dass seine Bürgerinnen und Bürger in ihrem letzten Lebensabschnitt nicht zu einem sozialen Abstieg drängt. Rente muss Lebensstandard sichern und Altersarmut verhindern. Das beginnt aber nicht bei der Frage um Beitragssätze, sondern schon zuvor bei der Frage der guten Arbeits- und Entgeltbedingungen. Was ist ein geeigneteres Instrument als auskömmliche, am besten tarifliche Bezahlung, die Erwerbsminderung vorbeugt und dank höherer Beitragszahlungen einen entsprechenden höheren Rentenanspruch gewähren lässt.“
Er fügt an: „Für uns ist klar, dass das Rentenniveau wieder auf eine Höhe von etwa 53 Prozent angehoben werden muss. Grundlage dafür ist die Finanzierung durch gemeinsame Beiträge, durch den Arbeitgeber wie den Beschäftigen. Eine Verlagerung, wie manchmal von der Wirtschaft postuliert, auf die alleinigen Schultern der Arbeitnehmer*innen, lehnen wir strikt ab.“
Die aktuellen Versuche der Neoliberalen, das Umlagesystem der Rente einzuschränken und die Kapitaldeckung auszubauen, lehnt der Bezirksleiter ab: „Das Konzept ist eine in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Wette auf hohe Gewinne am Aktienmarkt. Doch, was bergauf geht, kann auch krachend fallen. Ich bin nahezu beruhigt und dankbar, dass die FDP nicht gleich die Rente in den Bitcoin stecken möchte.“ Als IG Metall vertrete man die klare Auffassung, dass die Parteien sich von der Illusion befreien müssen, dass die Kapitaldeckung Demografie resistent sei. „Wir sehen daher nicht, dass im Ausbau der privaten Vorsorge die Perspektive liegt, sondern in einer Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Ergänzend dazu halte ich eine arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente für alle unumgänglich. Bekenntnisse zur Betriebsrente gibt es bei allen Parteien. Wie die Verbreitung erhöht werden und die Finanzierung gesichert werden kann, dazu fehlen bislang konkrete Konzepte.“
Als Gewerkschaft schlage man vor, „alle in ein Solidarsystem der Rente aufzunehmen. So ließe sich der Versichertenkreis auf Freiberufler, Selbständige, Parlamentarier und Beamte ausdehnen und so höhere Beitragseinnahmen und eine gerechte Finanzierung der Tragelasten erreichen. Wir fordern daher die Einführung einer sogenannten Erwerbstätigenversicherung.“
Angefeuert von sogenannten „unabhängigen Experten“ sei zudem aktuell eine erneute Debatte um das Rentenalter entbrannt. „Höher soll das Eintrittsalter werden, länger sollen wir arbeiten. Ich finde das ist keine Option. Der Grundgedanke jener – in Anführungszeichen – Experten ist: Da die Menschen immer älter würden, müsse auch das Renteneintrittsalter weiter angehoben werden. Die Realität sieht doch aber anders aus: Viele Beschäftigte erreichen sogar das frühere Rentenalter 65 nicht gesund, geschweige denn die 67. Das ist doch völlig unrealistisch. Für sie wäre eine weitere Erhöhung des Rentenalters eine zusätzliche Rentenkürzung. Das können wir doch nicht hinnehmen. Als IG Metall sind wir vehement gegen eine Erhöhung. Im Gegenteil, bereits die Erhöhung auf 67 war eine historische Fehlentscheidung mit großer Tragweite. Der größte sozialpolitische Fehltritt seit Hartz 4. Wir brauchen stattdessen ein realistisch erreichbares Rentenalter sowie passgenau und sozial abgesicherte Übergänge in den Ruhestand“, so Gröger abschließend.
(Presseinformation Nr. 109/2021)