IG Metall-Umfrage:

Krise trifft mit Wucht zuerst die prekär Beschäftigten

24.04.2020 | Die Corona-Krise belastet die Beschäftigten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt schwer. Das ist das Ergebnis einer IG Metall-Umfrage unter den Betrieben ihrer Branchen.

Foto: hirun/iStock

Die Umfrage erfolgte unter Betriebsräten aus 210 Betrieben in Niedersachsen und aus 90 Betrieben in Sachsen-Anhalt. Die Befragten kommen aus dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie, des Automobilbaus, des Handwerks, der Holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie sowie der Textilen Dienste und repräsentieren rund 310.000 Beschäftigte. Hier die Ergebnisse und Einschätzungen:

Kurzarbeit: Zwei Drittel aller Unternehmen haben bereits Kurzarbeit eingeführt oder stehen unmittelbar davor. Die Auftragslage wird krisenbedingt von mehr als der Hälfte aller Betriebe als schwierig eingeschätzt. Lieferketten werden als stark gefährdet oder sogar gestört eingestuft. Mehr als 70 Prozent der Betriebe haben Kurzarbeitergeld für mehr als 50 Prozent der Belegschaft angemeldet. Deutlich wird, dass viele Unternehmen mit länger andauernden Produktionsausfällen rechnen. 

Aufstockung von Kurzarbeit: Die Einigung des Koalitionsausschusses, das Kurzarbeitergeld für alle zu erhöhen, ist daher aus Sicht der IG Metall ein folgerichtiger und wichtiger Schritt gewesen. Viele Beschäftigte werden damit vor existenziellen Nöten bewahrt. „Die IG Metall hat lange und intensiv auf eine Erhöhung gedrängt und das mit Erfolg“, sagt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Darüber hinaus fordert Gröger aber endlich die oft immer noch fehlende soziale Verantwortung der Arbeitgeber ein: „Einige Branchen und Unternehmen haben in der aktuellen Krise Verantwortung gezeigt, indem sie bereits Vereinbarungen zur Aufstockung bei Kurzarbeit mit uns abgeschlossen haben. „Dort wo dies immer noch nicht geschehen ist, wie zum Beispiel beim Kfz-Handwerk in Sachsen-Anhalt, fordern wir die Arbeitgeber auf, schnellstens mit uns Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen auszuhandeln, um die Einkommen endlich zu sichern.“

Zwar bestehen in den allermeisten Betrieben (rund 90%) bereits Betriebsvereinbarungen zum Thema Kurzarbeit, was zeigt, wie wirksam die betriebliche Mitbestimmung gerade in der Krise ist. Aber nur in etwas mehr als der Hälfte dieser Betriebe (57 %) hat es auch eine Aufstockung zum Kurzarbeitergeld mit dem Arbeitgeber gegeben. Zwei Drittel aller Regelungen umfassen Aufzahlungen von 80 bis 100 Prozent des entgangenen Entgeltes. Jede zweite Regelung hat jedoch nur eine Reichweite bis Juni diesen Jahres und endet gerade dann, wenn die geplante Erhöhung des Kurzarbeitergeldes zur Wirkung kommt. „Dies betrifft aber zumeist Betriebe in Niedersachsen. Schwieriger ist die Situation in Sachsen-Anhalt: Hier kann lediglich ein Viertel aller Betriebe überhaupt eine tarifliche oder betriebliche Regelung zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes vorweisen. Insgesamt bedeutet dies, dass die Beschäftigten in jedem vierten Betrieb bei einer Aufstockung von 'Null' liegen. Solche Nullnummern darf es nicht geben“, stellt Gröger klar.

Personelle Maßnahmen: „Klar ist auch: Die Krise trifft mit voller Wucht zuerst die prekär Beschäftigten“, so der IG Metall-Bezirksleiter. Rund ein Drittel aller Betriebe melden zunächst Leiharbeitsbeschäftigte ab. Mehr als ein Viertel aller Betriebe lassen Befristungen auslaufen und verlängern Arbeitsverträge nicht. Circa 2,5 Prozent der erfassten Betriebe sind inzwischen insolvent. Und fast 20 Prozent der Unternehmen rechnen in den nächsten Monaten mit Liquiditätsproblemen. Um schwerwiegende Folgen zu verhindern, haben mehr als 70 Prozent der Betriebe ihre Beschäftigten, da wo möglich, ins Home Office geschickt.

Fehlende Kinderbetreuung: Um die existenziellen Nöte vieler Beschäftigten zu lindern, müsste nun aber sukzessive ein Wiederhochfahren der Produktion in zahlreichen Unternehmen vorgenommen werden. „Viele Eltern berichten uns aber verzweifelt, dass sie nicht zurück an ihren Arbeitsplatz können, weil sie nicht wissen, wie sie die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen sollen. Für viele Eltern führt dies zu einer Zerreißprobe. Kinderbetreuung und voll arbeiten im Homeoffice funktioniert einfach nicht – insbesondere wenn die eigenen Kinder noch klein sind,“ erklärt Gröger. Und fordert Bund und Länder deshalb auf, den Schutz des Kindeswohls, die Interessen von berufstätigen Eltern und den Infektionsschutz in ein gutes Gleichgewicht zu bringen. Darüber hinaus muss die finanzielle Unterstützung betroffener Eltern aus dem Infektionsschutzgesetz ausgeweitet werden. „Diese Lohnersatzleistung muss wie das Kurzarbeitergeld dringend aufgestockt und verlängert werden. Das Gesetz ermöglicht Eltern unter bestimmten Umständen eine Entschädigung, wenn sie aufgrund behördlich geschlossener Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht arbeiten können. Aktuell beträgt die Entschädigung 67 Prozent des Nettoeinkommens, höchstens aber 2.016 Euro. Beschäftigte, die im Homeoffice arbeiten können, sind allerdings davon ausgenommen. „Das muss korrigiert werden“, ergänzt Gröger: „Die IG Metall fordert die Arbeitgeber deshalb auf, die Beschäftigten in dieser Situation durch flexible Arbeitszeitmodelle zu unterstützen. Auch Aufzahlungen auf die Leistungen des Infektionsschutzgesetztes sind möglich. Dies regelt beispielsweise der jüngste Tarifabschluss für die Volkswagen AG.“

Arbeits- und Gesundheitsschutz: Da, wo die Betriebe wieder anlaufen und hochgefahren werden, muss der Gesundheitsschutz der Beschäftigten oberste Priorität haben. Hier sind vor allem wirksame Maßnahmen an Arbeitsplätzen durchzuführen, die das Infektionsrisiko der Beschäftigten minimieren. Die gerade veröffentlichten Corona Arbeitsschutz-Standards sind eine gute Grundlage. Dabei spielen technische, arbeitsorganisatorische und individuelle Schutzmaßnahmen, die sich daran orientieren, den erforderlichen Sicherheitsabstand einzuhalten und grundlegende Hygieneanforderungen zu gewährleisten. „Leicht ist das mitunter nicht. Von der Knappheit an persönlicher Schutzausrüstung oder geeigneter Desinfektionsmitteln einmal abgesehen, fehlen auf zahlreiche Fragestellungen erprobte Antworten. Hier stehen die Arbeitgeber in der Pflicht: Sie sind per Gesetz für den Schutz der Gesundheit im Betrieb verantwortlich. Bei der Planung und Durchsetzung der notwendigen Maßnahmen ist der Betriebsrat einzubeziehen. In den Betrieben sollten deshalb sofort Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden. Die IG Metall hat dafür gerade eine umfassende Arbeitshilfe veröffentlicht“, macht Gröger abschließend für die kommenden Wochen deutlich.  

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