08.03.2024 | Deutschland gehen Stück für Stück die Fachkräfte aus. In vielen Branchen suchen Betriebe händeringend nach Personal. Dabei ist eines der großen Potenziale noch teilweise nicht gehoben: die völlig gleichberechtigte Erwerbstätigkeit von Frauen. Für die Gleichberechtigung auf allen Ebenen gehen am 8. März, dem Internationalen Frauentag, Frauen weltweit auf die Straße, um sich für ihre Rechte einzusetzen. Das schon seit 1911. „Trotz der langen Tradition des Weltfrauentags ist auch 2024 in nahezu keinem Land auf dieser Welt eine völlige Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erreicht worden. Das ist ernüchternd“, sagt Louisa Mertens, Gewerkschaftssekretärin der IG Metall und zuständig für Frauenpolitik. Sie fügt an: „Dass es nach wie vor keine komplette Gleichstellung gibt, muss für uns der Antrieb sein, weiter dafür zu kämpfen.“
Besondere Bedeutung bekommt das Thema beim Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt: Fachkräfte werden in vielen Wirtschaftsbereichen dringend gesucht. „Die Fachkräfte sind aber da: Frauen, denen noch viel zu oft Steine in den Weg gelegt werden. Warum das weiterhin so ist, erschließt sich mir nicht. Seit mehr als 100 Jahren machen wir durch den Internationalen Frauentag auf Geschlechtergleichheit und Frauenrechte aufmerksam. Wir haben in dieser Zeit viel erreicht, aber: Männer dominieren auch 2024 die Wirtschaft. Das muss sich ändern!“, legt Mertens den Finger in die Wunde.
So ist es in Deutschland nach wie vor so, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, die Hauptlast bei der Kindererziehung tragen und ihre Karriere familienbedingt häufiger unterbrechen. Abhilfe könnten hier der Ausbau der Kinderbetreuung und flexiblere Arbeitszeitoptionen für Männer schaffen. „Nur wenn wir in Familienmodellen und nicht in Geschlechterrollen denken, können wir die klassische Rollenverteilung endlich hinter uns lassen“, so die Gewerkschafterin weiter. Statt den Rotstift beim ganzheitlichen Thema des Elterngeldes beispielsweise anzulegen, bräuchte es eine Anhebung des seit 2007 unveränderten Mindest- und Höchstelterngeldes in Höhe von 300 bzw. 1800 Euro. Außerdem könnte man sich andere Länder, die in sämtlichen internationalen Rankings in Bezug auf Familienfreundlichkeit spürbar besser abschneiden würden, zum Vorbild nehmen. Schweden hat schon früh rechtliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Männer und Frauen Erwerbs- und Sorgearbeit gerecht aufteilen können. Neben einem großzügigen Elterngeld, von dem ein Teil fest an den Vater gebunden ist, gibt es ein Recht auf Kinderbetreuung.
Trotzdem ist in Deutschland der jüngeren Vergangenheit auch viel Positives passiert. So steigt der Frauenanteil in Führungspositionen kontinuierlich an. Das hat die Bundesregierung Mitte Dezember 2023 in ihrem siebten jährlichen Bericht zur Entwicklung des Frauenanteils in Führungspositionen festgehalten. „Das ist gut und richtig. Aber vor allem in Vorständen ist noch Luft nach oben“, bilanziert IG-Metall-Gewerkschaftssekretärin Mertens.
2024 bekommt der Weltfrauentag neben dem wichtigen Thema der Gleichberechtigung und Fragen des Arbeitsmarktes aber noch eine weitere entscheidende Richtung: Der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft seine weiblichen Mitglieder angesichts der anstehenden Europawahlen dazu auf, die demokratischen Kräfte mit ihrer Stimme zu stärken. „Demokratie und Gleichstellung gehen Hand in Hand. In der Europäischen Union ist die Gleichstellung einer der Grundwerte. Sie ist aber durch zunehmenden Nationalismus und Rechtspopulismus gefährdet. Deshalb müssen Frauen auch an der Wahlurne für ihre Rechte kämpfen, ansonsten kann ein dramatisches Zurück in völlig veraltete Rollenbilder drohen. Rechtspopulisten wollen das Rad des Fortschrittes auch in den Fragen der Gleichstellung zurückdrehen – das darf nicht zugelassen werden!“, unterstreicht die Metallerin.