19.11.2020 | Salzgitter – Mit einem Warnstreik bei Funktel zeigt die IG Metall auch unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie Entschlossenheit.
Hintergrund ist die Tarifflucht der Funktel GmbH durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall zum 31. März dieses Jahres. Die Belegschaft hat diese Nachricht Ende Februar, kurz vor den Einschränkungen der Corona-Pandemie, völlig überraschend und unvorbereitet durch eine E-Mail ihrer Geschäftsführer erreicht.
Dazu sagt IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger: „Die Kolleginnen und Kollegen bei Funktel haben nicht nur Pflichten aus ihrem Arbeitsverhältnis, sondern auch Rechte. Und dazu gehört das Recht auf eine Gewerkschaft, das Recht auf einen Tarifvertrag und das Recht, die eigenen Arbeitsbedingungen kollektiv mit der eigenen Geschäftsführung zu regeln.“
Dass ausgerechnet die öffentliche Hand größter Kunde der Funktel GmbH ist und der Betrieb vom Land Niedersachsen gefördert wird, sorgt für weitere Empörung. Die Funktel GmbH mit Sitz in Salzgitter-Bad ist ein führender Hersteller von Funk-Sicherungssystemen, unter anderem für Justizvollzugsanstalten, Energieerzeuger und -versorger sowie Krankenhäuser. Die öffentliche Hand ist somit der wesentlichste Kunde des Unternehmens.
Die Gewerkschaften im DGB fordern ein bundesweites Tariftreuegesetz für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Tarifflucht der Funktel GmbH ist ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. „Öffentliche Aufträge, die aus Steuermitteln bezahlt werden, sollten nur an Unternehmen vergeben werden, deren Beschäftigte zu demokratisch ausgehandelten Tarifbedingungen arbeiten“, macht Gröger deutlich.
Die Demonstration führt durch die Innenstadt. Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz sprechen neben dem IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger auch Marcus Bosse, Landtagsabgeordneter der SPD für den Wahlkreis, Heidi Reupke, Mitglied der IG Metall-Tarifkommission bei Funktel, sowie Kolleginnen und Kollegen aus den unterstützenden Betrieben.
Die Beschäftigten bei Funktel werden von zahlreichen Beschäftigten anderer Betriebe unterstützt. Damit zeigen Metallerinnen und Metaller von MAN, Bosch, Salzgitter Flachstahl, Volkswagen, Alstom, SMAG, Meyer und weiteren Betrieben ihren Zusammenhalt bei der Durchsetzung der Tarifbindung für die Arbeitsplätze in Salzgitter.
Die insgesamt ca. 115-köpfige Funktel-Belegschaft, davon 75 vor Ort, sind in den letzten Jahren den Weg eines Sanierungstarifvertrags mitgegangen. „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind dem Management in der Vergangenheit immer wieder entgegengekommen. Sie haben auf wesentliche Teile ihrer tarifvertraglichen Ansprüche verzichtet, um dem Betrieb wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Man kann sogar davon sprechen, dass die Mannschaft hier den Betrieb gerettet hat. Deshalb ist es umso übler, wenn die Herren Minderhout und Hennicke jetzt auf die Kooperation der eigenen Mitarbeiter pfeifen, um einfach durchzuregieren. Das werden wir so nicht zulassen“. erläutert Gröger.
Die Tarifflucht der Funktel GmbH ist nach dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband zum 1. April 2020 wirksam geworden. Corona bedingt musste die IG Metall die Forderung nach einem Anerkennungstarifvertrag zur Metall- und Elektroindustrie Niedersachsen zunächst aussetzen. Seit Anfang Oktober hat die Auseinandersetzung an Fahrt aufgenommen. Auf den ersten Warnstreikaufruf der IG Metall Anfang Oktober reagierten die Geschäftsführer eine halbe Stunde vor der Arbeitsniederlegung mit der Androhung, die Fertigung und die Reparatur am Standort zu verlagern.
Nach dem hohen Zuspruch der Belegschaft, mit Warnstreiks der Forderung nach Tarifbindung Nachdruck zu verleihen, ist die Geschäftsführung umgeschwenkt. Statt mit Angst zu arbeiten, setzen sie nun auf ihre Überzeugungskraft. In Inforunden vor dem zweiten Warnstreik Mitte Oktober haben sie die Beschäftigten überzeugen wollen, warum es besser sei, ohne Tarifvertrag zu arbeiten. Mit dem dritten Warnstreik will die Belegschaft ihrer Geschäftsführung weiterhin verdeutlichen, wie ernst ihnen ihre Forderung nach der Tarifbindung ist.
"Die Entgeltforderung von 4 Prozent für 12 Monate ist gerecht, auch weil die Beschäftigten seit Anfang des Jahres schon keinen Pfennig mehr bekommen haben. Wir haben aber auch gesagt, dass wir uns vorstellen können, dass Teile unserer Tarifforderung für Maßnahmen der Beschäftigungssicherung Anwendung finden. Also: Man könnte zum Beispiel die Arbeitszeit für alle absenken, um alle Beschäftigten im Betrieb zu halten. Um derartige Lösungsvorschläge umzusetzen braucht es aber eine Geschäftsführung, die bereit ist, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Andernfalls machen wir Druck", sagt der IG Metall-Bezirksleiter abschließend.