10.02.2022 | Noch zu Anfang dieses Jahres fand eine breite Berichterstattung statt, als der französische Bahntechnikkonzern Alstom den Zuschlag für die Belieferung von Norwegens Staatsunternehmen Norske Tog bekommen hatte.
Auch für die Belegschaft am Fertigungsstandort in Salzgitter waren dies positive Signale, immerhin sollte alleine die erste Bestellung ein Volumen von 30 Zügen vom Typ „Coradia Nordic“ und damit einen Wert von gut 380 Millionen Euro umfassen. Ferner war die Option auf weitere 170 Züge (Gesamtvolumen dann 1,9 Milliarden Euro) durch die Norweger gegeben. Der Fahrplan bis 2025 sollte für eine gute Auslastung sorgen und damit verbunden auch Beschäftigungsperspektiven geben.
Breites Entsetzen herrschte dagegen nach dem Öffentlichwerden der Pläne, den Auftrags NT77 im bisherigen Bombardier-Werk in Wroclaw statt in Salzgitter fertigen zu lassen. Betriebsrat und IG Metall stellen hier einen eindeutigen Vertragsbruch fest, der auch diametral zu den 2019 geschlossenen Verträgen zur Standort- und Beschäftigungssicherung steht. Dass der Rohbau und die Lackierung des norwegischen Auftrags ins Ausland gehen, „erzürnt die Beschäftigten vor Ort zurecht. Diese Entscheidung reißt eine empfindliche Lücke in die Auslastungsplanung am niedersächsischen Standort!“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: „Zurecht verlangt der Betriebsrat eine dauerhafte Perspektive für Salzgitter!“
In einem Schreiben wurde für den Standort in Salzgitter die niedersächsische Landesregierung um politische Unterstützung gebeten. Ferner habe man „dem Management unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass der eingeschlagene Weg von uns nicht getragen wird und auf größtmöglichen Widerstand stößt. Als IG Metall erwarten wir ein klares Bekenntnis zu dem Auftrag NT77 und zu dem Standortvertrag – dieser ordnet den Auftrag eindeutig Salzgitter zu. Der Konzernleitung sagen wir ganz deutlich: Verlässlichkeit und Vertragstreue sind wesentliche Grundlage für den Erfolg des Unternehmens!“, so Gröger weiter. Während sich die Beschäftigten am Standort in Salzgitter einseitig an die tarifvertraglichen Zusagen halten, die im Kontext der damaligen Verhandlungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung getroffen worden sind, erweist sich die Pariser Konzernzentrale nicht als treuer Partner. Gröger macht deutlich, dass das Verhalten des Managements eine ganze Region gefährde und die Existenzen der Beschäftigten aufs Spiel setzt.
Dass sich die Nachricht wie ein Lauffeuer innerhalb des Betriebs verbreitet habe und für Wut sorge sowie Ängste unter der Belegschaft schüre, dürfe wohl keineswegs verwundern.
Birgit Dietze, IG Metall Bezirksleiterin Berlin-Brandenburg-Sachsen, erklärt: „Die Beschäftigten in Salzgitter haben unsere volle Solidarität in ihrem Kampf für die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Die Kolleginnen und Kollegen bei Alstom in ganz Deutschland stehen zusammen im Widerstand gegen diesen Umgang mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Konzernleitung fordere ich auf, sich an die Festlegungen des Tarifvertrages zur Standort- und Beschäftigungssicherung zu halten. Mit dem Vorgehen bricht sie verbindliche Zusagen und zerstört Vertrauen, das für die laufenden Verhandlungen über die Zukunft der Standorte in ganz Deutschland dringend erforderlich ist.
Mitten in einem Boom des Schienensektors versetzt das Alstom-Management die Beschäftigten in Salzgitter in Ungewissheit über ihre Zukunft und droht an anderen Standorten sogar mit einem massiven Personalabbau. Das ist nicht hinnehmbar. Es muss im Gegenteil darum gehen, die Wachstumschancen des Schienenmarktes zu nutzen und Beschäftigung zu sichern. Die Mobilitätswende geht nur mit Beschäftigten, die klimafreundliche Züge herstellen. Die IG Metall steht zu konstruktiven Gesprächen über die Zukunft der Alstom-Standorte in Deutschland bereit. Ich kann nur hoffen, dass die Konzernleitung rasch einen Weg einschlägt, auf dem sich gemeinsam die Zukunft der Standorte in Deutschland sichern lässt“, so Dietze.
Am Freitag, den 11. Februar, ist der Betriebsrat von der Unternehmensleitung in Berlin zu Gesprächen zum Thema der Verlagerung von Fertigungsvolumen eingeladen.
(Presseinformation Nr. 004/2022)