Sachsen-Anhalt zwischen Fachkräftebedarf und Job-Boom

Gewerkschaft diskutiert mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die wirtschaftlichen Herausforderungen in Ostdeutschland

20.06.2023 | Im Rahmen ihrer jährlichen Bezirkskonferenz kam die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt am vergangenen Donnerstag in Magdeburg zusammen, um die gewerkschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre zu beleuchten. Dabei debattierten mehr als 100 Teilnehmende lebhaft die Transformation der Wirtschaft, die Folgen der Digitalisierung und die Rolle der Gewerkschaften im Wandel. Insbesondere im Nachmittagsteil fokussierte sich der Blick auf den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland: Insbesondere die geplante Ansiedlung von Intel in Magdeburg, das rege Treiben in Grünheide von Tesla sowie die Vorhaben von TSMC und Infineon bei Dresden, stehen symbolisch für das Silicon Ostdeutschland.

Foto: Paul Stachowiak

Die IG Metall diskutierte auf ihrer Bezirkskonferenz den entstehenden Job-Boom, den jene Ansiedlungen auslösen könnten, insbesondere vor der Fragestellung des bundesweit grassierenden Fachkräftemangels. „Nur, weil man eine Fabrik aufs platte Land stellt, werden die Fließbänder nicht rollen. Entscheidend, und das ist auch gut so, sind eben nicht Roboter, sondern weiterhin der Mensch hinter der Maschine!“, attestiert Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter. Gute Arbeitsplätze zeichnen sich durch faire Entgelte und gute Arbeitsbedingungen aus. „Garant dafür sind betriebliche Mitbestimmung, gut organisierte Belegschaften und insbesondere eine starke Tarifbindung.“, führt der Bezirksleiter aus.

Aus Sicht der IG Metall muss an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden, damit dem Fachkräftemangel Einhalt geboten wird und der bestehende Jobbedarfe auch bedient werden können:

  1. Massiver Ausbau der Digital- und Mobilitätsinfrastruktur
  2. Finanzbooster für berufsbildende Schulen, Fachhochschulen und Universitäten
  3. Ausbau von Weiterbildungsmöglichkeiten und Umsetzung von Bildungsteilzeit
  4. Landesfördermittel und öffentliche Vergabe nur an tarifzahlende Unternehmen
  5. Schnelle Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen sowie die bessere Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt

An einer Podiumsdiskussion nahmen neben dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der IG Metall, Wolfgang Lemb, unter anderem der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (in digital), sowie Susanne Eva Dörrwand, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin IHK Magdeburg, teil. Ferner war auch Jun.-Prof. Dr. Andreas Zopff von der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg Panelteilnehmer. Auf die Frage, wie der Fachkräftemangel am wirksamsten zu bekämpfen sei, äußerten sich die Teilnehmenden wie folgt:

Wolfgang Lemb, Vorstandsmitglied der IG Metall, sieht die Betriebe in Verantwortung: „Rauf mit den Entgelten, tarifierte Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, die zum Leben passen: Dann klappt’s auch mit den Fachkräften!“

Carsten Schneider, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, sagt: „Attraktive Arbeitsbedingungen sind zentral für das Finden und Binden von Arbeitskräften. Dazu gehören vor allem gute Löhne. Wenn im Osten noch immer weniger als im Westen gezahlt wird, dann dürfen sich Unternehmen nicht wundern, dass offene Stellen nicht besetzt werden. Betriebliche Mitbestimmung ist Ausdruck gelebter Demokratie und ein wirksames Mittel für faire Bezahlung.“

Aus Sicht von Jun.-Prof. Dr. Andreas Zopff gebe es nicht ein wirksames Mittel, sondern eine Vielzahl von Stellschrauben: „Wir müssen uns um alle Jugendlichen und Erwachsenen kümmern: Um die leistungsstarken genauso wie um die leistungsschwächeren. Dazu müssen wir den Weg zum Beruf, die Berufsausbildung und die Fort- und Weiterbildung genau anschauen: Nützt das, was wir tun, zur bestmöglichen Qualifizierung der Menschen?“

Auch Susanne Eva Dörrwand von der IHK-Magdeburg teilt die Einschätzung: „Es gibt nicht das „eine“ wirksamste Mittel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Diese Herausforderung bedarf eines Maßnahmenpakets aus Investitionen in Bildung, Verbesserung des Übergangs Schule/Beruf, attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen und die Zuwanderung von Fachkräften. Eine Kombination dieser Strategien und deren flexible Anpassung an die jeweiligen Umstände (Region, Branche u.a.) sind erforderlich, um nachhaltige Lösungen zu schaffen.“

Pressemitteilung: 057/2023

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