Arbeitnehmerlosigkeit als Herkules-Aufgabe für Politik

Gemeinsam mit Sozialpartnern Antworten aus der Misere entwickeln

17.05.2023 | Eine ungewisse Situation bei den Energiekosten und vorhandene Transformationsnotwendigkeiten stellen viele Betriebe und ganze Branchen vor große Herausforderungen. Im gleichem Atemzug mit einem gestiegenen Kostenumfeld nennen die Arbeitnehmervertretungen der Betriebe aber insbesondere den grassierenden Fachkräftebedarf, der sich zu einem der größten Wirtschaftshemmnisse für die hiesige Industrie zu entwickeln scheint. Das sind deckungsgleiche Eindrücke von Treffen der IG Metall, Betriebsrät*innen der kleinen und mittelständischen Betriebe sowie Großunternehmen mit Vertreter*innen der niedersächsischen Landesregierung.

Thorsten Gröger. Foto: Marcus Biewener

„Die Branchen, die wir organisieren, bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Ob die Metall- und Elektroindustrie, die Stahlbranche oder das Handwerk. Überall werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Wir reden nicht mehr nur von Fachkräftebedarf, wir haben regelrecht eine Arbeitnehmerlosigkeit. Das gefährdet Betriebe, deren Produktion und letztlich auch ganze Standorte.“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. 

Der Mangel an Fachkräften ist bereits jetzt vielerorts spürbar und wirkt sich negativ auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aus. Nicht nur Handwerker*innen fehlen an allen Ecken und Kanten, um beispielsweise die Energiewende in Realität und nicht nur auf dem Papier voranzutreiben. Auch in insbesondere technologieintensiven Bereichen wie der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz, dem Maschinenbau und der Elektromobilität sind hochqualifizierte Fachkräfte unerlässlich. Die IG Metall sieht die Politik in der Verantwortung, die Weichen für eine umfassende Lösung des Fachkräftemangels zu stellen. Es bedarf einer schlüssigen und ambitionierten Strategie, die die Politik gemeinsam mit den Sozialpartner*innen erarbeiten muss.

Es müsse darum gehen, so Gröger, den Übergang von der Schule in die Ausbildung bzw. den Arbeitsmarkt besser zu gestalten. „Der Übergangsbereich gehört auf den Prüfstand. Außerdem brauchen wir eine bessere Berufsorientierung an den Schulen. Noch immer verlassen zu viele Schülerinnen und Schüler mit Abschluss das Schulsystem und landen am Ende dennoch nicht in einer Ausbildung oder in einem Beruf. Zudem braucht es eine zielgerichtetere Förderung von benachteiligten Jugendlichen!“ Der Bezirksleiter plädiert neben einer Stärkung der Ausbildung, welche insbesondere durch die Förderung von Ausbildungsplätzen, eine Ausbildungsplatzgarantie und mehr Inventionen in die berufsbildenden Schulen im Land stattfinden müsse, eine Intensivierung von Weiterbildungsangeboten: „Das heißt konkret: Beschäftigte brauchen ein Recht auf Weiterbildung und die Einführung der Bildungs(teil)zeit!“

Nicht zuletzt, und dort müssen sich „Betriebe auch an die eigene Nase fassen“, gilt es, gute Arbeitsbedingungen flächendeckend zu etablieren. Tarifverträge sind der beste Schutz vor Ausbeutung und sichern nicht nur faire Entgelte, sondern auch insgesamt gute Rahmenbedingungen der Beschäftigung. „Im Wettbewerb um die besten Köpfe werden Branchen und Betriebe Vorsprung haben, die sich dem Fortschritt nicht versperren. Reflexartig Formen wie die 4-Tage-Woche abzulehnen, eine längere Lebensarbeitszeit und mehr Bock auf Arbeit verbunden mit einem Mehr an Wochenarbeitszeit zu fordern, das passt nicht in die Zeit. Dort sollten Arbeitgeberverbände verbal abrüsten und stattdessen für eine Kultur der guten Arbeit Sorge tragen!“

 

Pressemitteilung: 047/2023

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