Ausbildungsstart 2021 in Niedersachsen unter schwierigen Vorzeichen

Fast 7 Prozent weniger Ausbildungsplätze und Dualstudierende als im Vorjahr

02.09.2021 | Der Start der neuen Ausbildungsjahrgänge zum August, beziehungsweise September 2021, steht unter schwierigen Vorzeichen. In Niedersachsen ist die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in der Metall- und Elektroindustrie drastisch zurückgegangen.

Thorsten Gröger, IG Metall Bezirksleiter (Foto: Agentur lieb.ich)

„Dies sei ein Trend“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, „den wir nicht erst seit gestern beobachten. Wir erleben, dass wir über die Jahre hinweg einen signifikanten Rückgang an vorhandenen Ausbildungskapazitäten in den Betrieben vorfinden!“

So sei nach IG Metall-Erhebungen in der Metall- und Elektroindustrie in Niedersachsen ein Rückgang der Gesamtkapazitäten an Plätzen für Auszubildende und Dual Studierende von 588 (2020) auf 549 (2021) in den befragten Betrieben zu verzeichnen. Im Bereich der Auszubildenden lässt sich ein Rückgang von rund 16 Prozent erkennen (477 auf 402), bei den Dual Studierenden finde eine Erholung statt, doch sei man noch lange nicht wieder auf Vorkrisenniveau angekommen. Auch im Tarifgebiet in Sachsen-Anhalt zeichnet sich ein analoges Bild. Dies geht aus den bei Betriebsrät*innen und Jugendvertreter*innen in Betrieben des Betreuungsbereichs der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt abgefragten Daten hervor.  

„Während die Arbeitgeber betriebsseitig ihr bewährtes Klagelied vom Fachkräftemangel anstimmen, werden zeitgleich immer weniger Ausbildungsplätze angeboten. Die Corona-Pandemie verschärft diese Situation massiv!“, fährt Gröger fort. Das widersprüchliche Handeln auf Arbeitgeberseite müsse ein Ende finden: „Wer seinen Fachkräftemangel decken will, muss auch entsprechende Angebote schaffen. Der Schlüssel liegt in einer guten Ausbildung. Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Da darf sich die Industrie nicht aus der Verantwortung ziehen!“

Es brauche, das unterstreicht der Bezirksleiter und stützt damit eine bekannte Forderung des DGB, eine Veränderung in der Ausbildungsfinanzierung: „Ausbildung garantiert Zukunft, doch wir müssen zukünftig auch Ausbildung garantieren. Um in der Gemengelage der Corona-Pandemie und all ihrer negativen Auswirkungen die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu stabilisieren, braucht es eine umlagefinanzierte Ausbildungsplatzgarantie.“ Dabei müssten alle Betriebe mit mindestens fünf Beschäftigten in einen Zukunftsfonds einzahlen. Aus diesem werden dann stufenweise betriebliche Ausbildung, Verbund- und Auftragsausbildung sowie außerbetriebliche Ausbildung bei einem Träger finanziert. Hierbei müssen alle jungen Menschen miteinbezogen werden.

Dass auch die Corona-Pandemie nicht spurlos an den Auszubildenden vorbeigegangen sei, zeigt die IG Metall Jugendstudie „Plan B“. Sie zeigt anschaulich, dass viele Jugendliche unter den Auswirkungen der Pandemie, dem reduzierten persönlichen Kontakt sowie digitaler Lehre in der Berufsschule oder Homeoffice während der Betriebstage zu leiden haben. „Weiterhin zeigen die Daten, dass für viele Jugendliche Corona die Zukunftsängste verschärft hat. Viele Jugendliche sorgen sich um ihre Übernahme oder haben gar ihre Pläne aufgrund der Pandemie über den Haufen geworfen! Die Pandemie darf aber keine Generation Corona verursachen, hier muss dringend gegengesteuert werden!“

In der dualen Ausbildung liege weiterhin ein zentraler Schlüssel für den betrieblichen Erfolg, schildert der Gewerkschafter in Hannover: „Klar ist aber auch: Fachkräfte wachsen nicht an Bäumen. Sie müssen gut ausgebildet werden - das kostet Geld, füllt am Ende des Tages aber auch wieder die Betriebskassen, wenn diese Fachkräfte übernommen werden und fester Bestandteil der Wertschöpfungskette werden!“. Doch genau hier hake es, so Gröger: „Eine Übernahme ist nicht garantiert. Wer meist drei harte Ausbildungsjahre hinter sich hat, kann häufig nicht auf eine feste Übernahme bauen. Daher fordern wir in aller Deutlichkeit: Wer eine betriebliche Ausbildung durchläuft, muss nach erfolgreichem Abschluss in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden!“

Sicherlich sei eines der Probleme, mahnt der Bezirksleiter, weswegen sich viele junge Menschen weiterhin gegen eine Ausbildung entschließen, der Abitur-Druck: „Es ist letztlich Ausdruck dieser Leistungsgesellschaft, dass der Eindruck erweckt wird, man wäre ohne Abitur kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Das ist ein Trugschluss. In vielen Ausbildungsberufen, gerade in der Metall- und Elektroindustrie, aber auch im Handwerk, ist die Nachfrage riesig und die Karrierechancen großartig. Dadurch, dass in Zukunft auch die Nachfrage nach Betriebsnachfolgen allein demografisch steigen wird, sollte es garantiert kein Attraktivitätsdefizit geben. Dies gilt es nach außen zu tragen und zu kommunizieren. Letztlich hat die Ausbildung ein leichtes Imageproblem, dem man gemeinsam entgegenwirken muss!“

Es sei ein Problem, wenn immer mehr Ausbildungsplätze nur von Abiturient*innen ergattert werden können. „Dass Unternehmen auch bei der Ausbildung mehr und mehr auf Schulabsolvent*innen mit Abitur setzen, erschwert gerade Real- und Hauptschüler*innen einen Berufseinstieg. Das Risiko für jene Schülerinnen und Schüler im sogenannten Übergangssystem zu landen, ist deutlich erhöht. Und leider ist dieses System häufig auch kein Übergangssystem, sondern eine gefühlte Endlosschleife an Maßnahmen, die am Ende nicht immer Früchte tragen!“, erklärt der IG Metall Bezirksleiter. Dringlichst muss verhindert werden, dass das Übergangssystem letztlich größer werde als das duale Ausbildungssystem!“.

(Presseinformation Nr. 82/2021)

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