Pandemie hat Charakter der mobilen Arbeit verändert

Gewerkschaft tritt für verlässliche und gerechte Homeoffice-Regelungen nach Pandemie ein

04.11.2021 | Von heute auf morgen wurden im Frühjahr 2020 Homeoffice-Regelungen zur Pandemiebekämpfung in den Betrieben eingeführt. In vielen der Unternehmen galt es zuvor als undenkbar, ihren Beschäftigte die Heimarbeit zu ermöglichen. Unzählige Beispiele zeigen jedoch: Die Produktivität ist in dieser Zeit gestiegen.

Homeoffice mit Baby (Foto: Grapelmages_iStock)

Zum 31.10.2021 und in den folgenden Monaten laufen Pandemie-Vereinbarungen aus, die Regeln für das Homeoffice müssen nun neu zwischen Unternehmen und Betriebsrät*innen verhandelt werden.

Für den IG Metall Bezirksleiter Thorsten Gröger ist dabei klar: „Flexibilität darf nicht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten gehen. Dass sich der Bundesverband der deutschen Industrie schon frühzeitig gänzlich gegen ein Recht auf Heimarbeit positioniert hat, lässt tief blicken. Es ist doch entlarvend, wenn nur die schlimmste Pandemie seit Kriegsende in Deutschland dazu bewegen kann, dass die Arbeitgeber fast flächendeckend ihren Beschäftigten temporär die Arbeit von Zuhause ermöglicht haben!“, schildert Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachen und Sachsen-Anhalt.

Seit 2010 haben zahlreiche Betriebsräte Betriebsvereinbarungen für freiwillige mobile Arbeit abgeschlossen. Sie mündeten 2018 in einen Tarifvertrag Mobiles Arbeiten für die Metall-und Elektroindustrie, der Mindestanforderungen für betriebliche Regelungen für mobiles Arbeiten und für Telearbeit definiert, wie u.a. das Prinzip der Freiwilligkeit und die Erfassung der Arbeitszeiten. „Der Charakter der mobilen Arbeit hat sich durch die Pandemie verändert!“, fährt Gröger fort: „Während es vielfach zuvor als Privileg angesehen worden ist, wurde es nun zum wichtigen Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen. Gleichzeitig sahen sich viele Arbeitnehmer*innen mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Kinder daheim zu betreuen, während Schulen und Kitas geschlossen waren!“

Der Bezirksleiter der IG Metall hält es für undenkbar, dass man zurück zu einer alten Normalität in der Arbeitswelt zurückkehren werde, „in der um die Heimarbeit seitens der Beschäftigten gebettelt werden muss. Für viele Arbeitnehmer*innen liegen die Vorteile auf der Hand: Mehr Flexibilität, kürzere Arbeitswege und eine verbesserte, individuelle Klimabilanz. Zeitgleich ist bei gleicher Arbeitsleistung eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten!“ Alle Umfragen würden zeigen, dass eine klare Mehrheit der Beschäftigten sich auch nach der Pandemie eine Mischung aus mobiler Arbeit und Arbeit im Betrieb wünsche. In der zu führenden Debatte, dürfe jedoch, so Gröger, nicht außen vorgelassen werden, dass Arbeit ein sozialer Prozess sei. „Sie lebt vom Dialog, von vertrauensvoller Kommunikation, von Solidarität, von Brainstormings und der Kollegialität oder auch Teamarbeit. Das sind natürlich Aspekte, die in der Diskussion um das Homeoffice auch berücksichtigt werden müssen!“

Nicht zuletzt ginge es, schildert Gröger weiter, auch darum, dass all die Vorzüge, die ein Arbeiten aus den eigenen vier Wänden mit sich bringe, auch Schattenseiten aufweisen würde: „Nicht jede und jeder schafft die Abgrenzung daheim. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen und auch die psychischen Belastungssituationen können ganz unterschiedlich ausfallen. Es gilt sicherzustellen, dass auch im Homeoffice ein Recht auf Nichterreichbarkeit gegeben ist, sodass Ruhephasen im Sinne des Arbeitnehmers auch gegeben sind. Klar muss im Kontext der Heimarbeit zudem sein: Geleistete Arbeitszeit muss erfasst, dokumentiert und vergütet werden – da darf es keine Abweichung geben! Auch dürfen die Verkürzung von Ruhezeiten nur unter den Voraussetzungen des geltenden Arbeitszeitgesetzes erfolgen. Dazu gehört insbesondere ein belastungsnaher Zeitausgleich.“, so Gröger weiter.

Gleichzeitig dürfe „aus dem Recht auf Homeoffice, langfristig keine Pflicht zum Homeoffice werden – das ist auch klar. Wer einen Arbeitsplatz nicht in den eigenen vier Wänden haben möchte, sondern die Räumlichkeiten des Betriebs nutzen will, muss hierfür auch die Gelegenheit bekommen. Flexiblere Telearbeitsmodelle dürfen nicht zu inhumanen Bürogestaltungskonzepten führen!“

Auch eine Kostenbeteiligung der Arbeitgeber für benötigte Arbeitsmittel ist notwendig. Die zu führende Debatte muss ferner die Bereiche des Versicherungsschutzes, der betrieblichen Interessenvertretung in der digitalen Arbeitswelt, sowie gesundheits- und arbeitsschutztechnische Aspekte aufgreifen.

Bei aller Notwendigkeit, die Zukunft des mobilen Arbeitens zu gestalten, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass vielen Beschäftigten jene Möglichkeit auf Grund ihres Jobs verwehrt bleibt. „Das Bedürfnis nach mehr beruflicher Flexibilität und Vereinbarkeit haben jene Kolleginnen und Kollegen dennoch. Daher muss dafür Sorge getragen werden, dass auch jenen Beschäftigten ein Angebot gemacht wird. Etwa durch die Öffnung der Umwandlung des Tariflichen Zusatzgeldes in freie Tage für weitere gewerbliche Beschäftigtengruppen!“, erklärt Gröger. Die Maßnahmen reichen von Gleitzeitmodellen über Schichtsharing, Springereinsatz, Rotationsverfahren bis hin zu Elternparkplätzen und auch dem Ermöglichen von mobiler Arbeit für einzelne Aufgaben.

(Presseinformation Nr. 101/2021)

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