Strategiedialog Automobilwirtschaft in Niedersachsen

Landesregierung und Projektpartner präsentieren Ergebnisse

24.11.2021 | „Niedersachsen soll auch in Zukunft ein Autoland sein. Unser Wunsch ist, dass möglichst viel heimische Wertschöpfung in den Fahrzeugen steckt.“ Diese klare Zielformulierung gab Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil heute in Hannover den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der digitalen Konferenz zum ‚Strategiedialog Automobilwirtschaft in Niedersachsen‘ mit auf den Weg.

Unter der Federführung von Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium war der Strategiedialog 2019 gemeinsam mit der IG Metall und dem Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall sowie den DAX-Konzernen Volkswagen AG und Continental AG ins Leben gerufen worden. Zusammen mit Expertinnen und Experten von Hochschulen, Verbänden und Unternehmen der Automobilwirtschaft wurden seitdem in drei „Innovatorenrunden“ die bestimmenden Zukunftstrends der Branche bearbeitet. Die Ergebnisse und die bereits konkreten Projekte wurden heute mit Branchenexperten diskutiert.

„Damit die traditionellen Wettbewerbsstärken der deutschen Automobilindustrie erhalten bleiben, sind enorme technologische Umwälzungen notwendig“, so der Ministerpräsident. Weil weiter: „Viele Veränderungen auf dem Weg hin zu immer mehr Elektromobilität, Digitalisierung, autonomem Fahren und zu Carsharing sind bereits eingeleitet worden. Gelingen wird die Transformation nur, wenn alle Beteiligten in einem Unternehmen an einem Strang ziehen – Management und Beschäftigte.“

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für das Land Niedersachsen geht es laut Weil um sehr viel: „Zwischen Ems und Elbe ist jeder vierte Industriearbeitsplatz direkt oder indirekt von der Automobilproduktion abhängig, das sind mindestens 340.000 Arbeitsplätze.“

Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann beschrieb dabei die hohe Erwartungshaltung der Landesregierung: „Die Automobilwirtschaft erlebt aktuell den größten Umbruch ihrer Geschichte. Wir haben den Strategiedialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft ins Leben gerufen, damit Niedersachsen auch weiterhin ein führender Automotive-Standort bleibt. Ergebnis- und technologieoffen wurden Handlungsoptionen entwickelt, die wir heute diskutieren wollen. Auch, um in den Blick zu nehmen, wie wir die Transformation aktiv über eine Transformationsbegleitung in den kommenden Jahren weiter unterstützen wollen.“

„Es gilt, die Stärke des Landes Niedersachsen als Industriestandort zu erhalten und auszubauen“, unterstrich der Ministerpräsident die Interessen des Landes an einer erfolgreichen Transformation der Branche. „Es wird intensiv daran gearbeitet, die Beschäftigten auf die in Zukunft nötigen Qualifikationen vorzubereiten. Und wir wollen insbesondere die Zulieferindustrie bei ihrer Neuausrichtung unterstützen.“

Dem Strukturwandel begegnen

Mit Blick auf die Mobilitätswende und den Themenschwerpunkt Elektromobilität, so Althusmann, flankiere das Land die Bundesförderung von Ladesäuleninfrastruktur durch Beratung insbesondere der Kommunen und stocke zudem das Budget für die Landesprogramme zur Elektromobilität um 20 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen auf. Somit stehen in Niedersachsen nun 60 Millionen Euro für die Förderung der nicht-öffentlichen Ladeinfrastruktur von Unternehmen, die Umstellung des landeseigenen Fuhrparks und den Ausbau der Ladeinfrastruktur an Behördenstandorten zur Verfügung.

Als beispielhaftes Ergebnis des Strategiedialogs nannte Althusmann unter anderem die stärkere Förderung der Gründung neuer Hightech-Unternehmen über sogenannte Hightech-Inkubatoren durch ein neues Förderprogramm des Landes Niedersachsen. Hier befinde man sich aktuell in der Auswahlphase der Hightech-Inkubatoren, deren Programme im nächsten Jahr starten. Jeder Inkubator soll Hightech-Gründungen unterstützen. Der „Mobility Startup Day“ am 16. Dezember 2021 stelle den Auftakt für die Bildung einer niedersächsischen Mobilitätscommunity dar, die für Innovationen und Hightech-Gründungen unerlässlich sei.

Wirtschaftsminister Althusmann hob zudem den im März 2021 aufgelegten Beteiligungsfonds „NTransformation Kfz-Zulieferer“ hervor. Der Impuls dazu kam aus dem Strategiedialog. Mithilfe des inzwischen 40 Millionen Euro starken Fonds sollen Automobilzulieferer und entsprechende Dienstleister über die NBank das notwendige Kapital in Form einer vorübergehenden Beteiligung am Unternehmen erhalten, um die Transformation angehen zu können.

Hunderttausende Mitarbeitende bei der Transformation mitnehmen

Diese Aspekte des Strategiedialogs sind auch für die berufliche Zukunft der Mitarbeitenden in der Automobilwirtschaft von höchster Bedeutung, stellte Thorsten Gröger, Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, heraus: „Es geht nicht nur um den Automobilstandort Niedersachsen, sondern um hunderttausende Arbeitsplätze im direkten und indirekten Umfeld. Die Transformation muss ökologisch, aber vor allem auch sozial ablaufen.“ Dabei sei die Mitnahme der Beschäftigten von entscheidender Bedeutung, so Gröger weiter. „Zur Bewältigung der Transformation müssen erhebliche finanzielle Summen mobilisiert werden, von den Betrieben und von der Politik. Nicht nur um Produktionsprozesse und Lieferketten emissionsärmer zu gestalten, sondern vor allem, um Beschäftigte für die Arbeit der Zukunft zu qualifizieren und ihnen im Wandel Orientierung und Halt zu geben.“ Die Gewerkschaft habe deshalb auch in der letzten Tarifrunde für die Verankerung sogenannter Zukunftstarifverträge in den Betrieben gekämpft und mit den Arbeitgebern die verstärkte Beratung der Betriebe durch eine gemeinsame Transformationsagentur vereinbart, die zukünftig auch mit Landesmitteln unterstützt wird.

Veränderung muss umfassend begleitet werden: Transformationsplattform und Qualifizierungsprojekte voranbringen

Größere Betriebe und Konzerne haben meist eine Strategie für die Bewältigung der Zukunftsherausforderungen. In den mittleren und kleinen Betrieben hingegen gibt es oftmals große Unsicherheit hinsichtlich der Meisterung der Transformation im eigenen Unternehmen. „Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass auch weitere Ideen aus dem Strategiedialog, wie die technologische Vorausschau im Rahmen einer Transformationsplattform, dringend vorangetrieben werden“, fährt der Gewerkschafter fort. Positiv sei beispielsweise das im Strategiedialog erarbeitete Förderprojekt „VeränderungsMacher*in“ hervorzuheben. „Damit können Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Betrieben ausgebildet werden, um Veränderungsprozesse aktiv begleiten zu können“, zeigte sich Gröger sicher. Auch sogenannte Transformationslotsen seien ein sinnvoller Ansatz. Allerdings sind aus Sicht des IG Metall-Bezirksleiters zur Bewältigung der Transformation weitere Maßnahmen unabdingbar: „Beschäftigungssicherung erschöpft sich nicht in Ausbildung und Qualifizierung, sondern umfasst auch Investitionen in die Industriestandorte und arbeitszeitpolitische Modelle wie beispielsweise die 4-Tage-Woche.“

Automobilindustrie als wichtigste Quelle des Wohlstands in Niedersachsen

Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, stellte die besondere Bedeutung der Wertschöpfungskette rund um das Auto für Niedersachsen heraus. „In keinem anderen Bundesland hat die Autoindustrie eine auch nur annähernd so große Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung wie in Niedersachsen. 62 Prozent der Industriearbeitsplätze, mindestens 350.000 Jobs, hängen in Niedersachsen unmittelbar am Auto.“ Kein anderes Bundesland sei daher so stark vom Transformationsprozess betroffen wie Niedersachsen. Die Initiative zum Strategiedialog Auto von Landesregierung, IG Metall und NiedersachsenMetall sei daher nur konsequent und goldrichtig gewesen.

Wirtschaft und Politik ziehen an einem Strang – gemeinsam Alleinstellungsmerkmale für Niedersachsen entwickelt

Schmidt machte deutlich, dass als Ergebnis des Strategiedialogs NiedersachsenMetall unmittelbar für die Entwicklung zweier niedersächsischer Alleinstellungsmerkmale im Konzert der Bundesländer verantwortlich zeichnet. „Mit dem Beteiligungsfonds ,NTransformation‘ stellen wir gemeinsam mit dem Land Beteiligungskapital für die niedersächsische Autoindustrie zur Verfügung. Dies hilft unseren Unternehmen – insbesondere den Zulieferern – direkt, um in neue Technologien zu investieren.“ Der Fonds ist derzeit mit 40 Millionen Euro ausgestattet. Es wird davon ausgegangen, damit zusätzliche Investitionen in Höhe von 200 Millionen Euro zu mobilisieren. „Dieses Modell hat bundesweit Vorbildcharakter“, so Schmidt.

Gemeinsam mit der IG Metall habe man zudem eine Transformationsagentur auf den Weg gebracht, die mit Qualifizierungs-, Beratungs- und Förderangeboten Unternehmen und Belegschaften im Transformationsprozess unterstütze: Schmidt. „Das ist der niedersächsische Weg, das ist unser Verständnis von gelebter Sozialpartnerschaft. Gemeinsam die Herausforderungen angehen und den Industriestandort stärken, damit möglichst viel Wertschöpfung und Beschäftigung in Niedersachsen gehalten werden kann.“

Neue Schnittstelle zwischen Industrie, Mittelstand und kleinen Zulieferern

Für Marcel Verweinen, Personalleiter Deutschland bei der Continental AG, war bereits vor dem Strategiedialog klar: „Die fundamentale Transformation unserer Branche können wir nur gemeinsam mit allen Beteiligten der Wertschöpfungskette sowie den Sozialpartnern und der Politik meistern.“ Mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft seien diese Bemühungen in den letzten drei Jahren bereits erfolgreich in die Wege geleitet worden. „Wir haben den Strategiedialog als Schnittstelle zwischen den niedersächsischen Automobilherstellern sowie den kleinen, mittelständischen und großen Zulieferern etabliert. Ich freue mich, dass wir dadurch als DAX-Konzern unser Know-how in den Dialog einbringen und so auch klein- und mittelständische Unternehmen (KMUs) von unseren Werkzeugen und Erfahrungen profitieren lassen konnten.“ Ein Beispiel hierfür stelle das neue, kostenlose und gemeinsam mit Continental entwickelte IT-Tool PYTHIA Automotive dar. Dieses im Rahmen der NPM (Nationale Plattform Zukunft der Mobilität) entwickelte Tool biete KMUs ein hilfreiches Instrument für eine strategische Personalplanung, ohne die dieser enorme Transformationsprozess kaum zu bewältigen sei.

Projekt „Transformationslotse“

Als weiteres Beispiel für bereits realisierte Erfolge, nannte Verweinen das Projekt „Transformationslotse“ zur Qualifizierung von Beschäftigten. In diesem bundesweit einzigartigen Projekt begleiten die Bildungswerke der Sozialpartner gemeinsam Unternehmen mit praxisbezogenen Transformationsmaßnahmen. „Damit bauen wir ein lernendes Netzwerk zum Aufbau und Austausch von Know-how auf, um Veränderungsprozesse in Unternehmen eigenständig zu initiieren und umzusetzen“, so Verweinen weiter.

„Mit diesen Projekten haben wir wichtige Grundsteine für den Wandel in unserer Branche geschaffen, damit die Transformation der Automobilbranche gelingen kann und Niedersachen als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb weiter attraktiv bleibt“, schloss Verweinen seine Ausführungen.

Auf dem Weg in die Klimaneutralität Arbeitsplätze im „Autoland“ sichern

Dr. Thomas Steg, Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG und Leiter Konzern Außenbeziehungen, analysierte den Status der angeschobenen und bereits umgesetzten Großprojekte: „Mit geplanten Investitionen in Milliardenhöhe hebt der Volkswagen Konzern das Autoland Niedersachsen – auch im internationalen Vergleich – auf ein bisher nicht erreichtes Niveau. Die bereits eingeleitete Transformation unserer Niedersächsischen Standorte mit einem klarem Fokus auf die Zukunftsfelder E-Mobilität und Digitalisierung ist unumkehrbar: In Wolfsburg planen wir im Rahmen des Projekts „Trinity“ die modernste und effizienteste Produktion von E-Fahrzeugen weltweit. Die Planung ist noch nicht abgeschlossen, aber es spricht viel für den Bau einer komplett neuen Fabrik im industriellen Herz Niedersachsens. Mit dem „Campus Sandkamp“ und einer Investitionssumme von ca. 800 Millionen Euro entsteht hier zusätzlich das neue Zentrum der Technischen Entwicklung und damit eine der größten internationalen Arbeitsstätten für Ingenieurinnen und Ingenieure. In Niedersachsen werden die Autos von morgen und übermorgen entwickelt – und zwar für Märkte in aller Welt. In einem dritten Schritt soll das historische Wolfsburger Stammwerk mittelfristig für den Bau eines hochmodernen E-Fahrzeugs umgerüstet werden.“

Der Umbau der Branche sei also bereits in vollem Gange. Steg: „Diese Investitionen erfolgen in Ergänzung zu den bereits bekannten Vorleistungen des Volkswagen Konzerns im Rahmen der eingeleiteten Transformation in Niedersachsen: In Salzgitter baut Volkswagen seine erste eigene Batterie-Zellfabrik. Dort betreiben wir auch die konzernweit erste Pilotanlage zum Recycling von Fahrzeugbatterien. Ziel ist ein geschlossener Rohstoffkreislauf. In Braunschweig hat Volkswagen die Batteriemontage zentralisiert. Das Werk Hannover wird zur Produktion des ID.Buzz umgerüstet. Der Umbau des Werkes Emden für die Produktion hochmoderner E-Fahrzeuge schreitet bereits zügig voran.“

Dies alles seien gute Nachrichten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens, so Steg weiter: „Diese Investitionen und die folgenden neuen Produkte sichern Arbeitsplätze bei Volkswagen. In unseren neuen Geschäftsfeldern entstehen neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Dies eröffnet viele Chancen auch für die klein- und mittelständischen Unternehmen unserer Branche in Niedersachsen. Der Volkswagen Konzern ist überzeugt davon, dass der Automotive-Cluster Niedersachsen enorme Entwicklungschancen vor sich hat. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Stakeholder in Niedersachsen – Unternehmen, Arbeitnehmer, Wissenschaft und Land – stärkt uns alle im globalen Wettbewerb und sichert so Standorte in der Region. Volkswagen beteiligt sich daran aktiv durch die größte Transformations-, Investitions- und Zukunftsoffensive der Automobil-Industrie in Niedersachsen seit Generationen.“

 

(Presseinformation Nr.108/2021)

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