23.05.2022 | Während die Teuerungsrate schwindelerregende Höhen erreicht, heizen einzelne Ökonomen eine Debatte um die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters an. Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter, erteilt solchen Gedankenexperimenten eine deutliche Absage: „Ich finde es gesellschaftlich unverantwortlich, dass Ökonomen in ohnehin schwierigen und unsicheren Zeiten ein solches Spiel mit der Angst betreiben. Die Beschäftigten tragen die volle Last der Preissteigerungen, fragen sich vielfach wie sie die gestiegenen Sprit-, Lebensmittel und Energiekosten tragen sollen. Diese Sorgen kriegen wir auch von unseren Betriebsräte*innen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt widergespiegelt. Mit Blick auf diese Ängste kann, darf und wird die Antwort nicht eine längere Lebensarbeitszeit sein!“
Im gleichen Atemzug fügt er an: „Wie wäre es endlich mal über Umverteilungsfragen zu reden und Krisengewinner, die sich während der Pandemie oder am Krieg eine goldene Nase verdient haben, zur Kasse zu bitten? Statt über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters zu reden, wäre es jetzt an der Zeit über Fragen der gerechteren Besteuerung von Spitzenverdiener*innen, großen Vermögen und großen Erbschaften zu diskutieren und stärkere Schultern zu mehr Verantwortung zu verpflichten!“
Die Rente braucht eine sattelfeste Zukunft, die jedoch nicht durch ein Anheben des Eintrittsalters geschaffen wird. „Die gesetzliche Rente soll den Ruhestand finanziell absichern. Doch seit den 2000er Jahren ist das Rentenniveau erheblich gesunken. Wir wollen diesen Trend stoppen – die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgehaltenen Haltelinien sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das Rentenniveau muss dauerhaft stabilisiert und wieder angehoben werden, um sozialen Abstieg im Alter zu verhindern!“, so der Bezirksleiter. Die IG Metall setzt sich für ein Rentenniveau von etwa 53 Prozent ein.
Die Rente sollte nach Ansicht der IG Metall auf einer solidarischen Basis fußen: „Derzeit wird die gesetzliche Rente vor allem von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getragen. Viele Spitzenverdiener*innen wie Ärzte oder Anwälte bleiben außen vor. Ebenso wie Beamte. Dieses Zwei-Klassen-Modell funktioniert nicht auf Dauer. Künftig sollten alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einzahlen – eine Erwerbstätigenversicherung quasi. Das würde die Rentenversicherung langfristig stärken und die Finanzierung auf eine solidarische Basis stellen!“, erklärt der Bezirksleiter.
Gröger fügt an, dass auch Unternehmen in größere Verpflichtung genommen werden müssen: „Betriebsrente für alle - das könnte auch eine Antwort sein, statt das Rentenalter hochzuschrauben. Betriebsrenten sind eine sinnvolle Ergänzung zur gesetzlichen Rente und wir setzen uns für eine flächendeckende Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ein – finanziert vom Arbeitgeber. Betriebsräte sollen bei der Altersversorgung stärker mitreden dürfen!“
Es sei nach Ansicht des Gewerkschafters absolut illusorisch über einen späteren Rentenbeginn die Probleme unserer Zeit in den Griff zu bekommen: „Das ist doch viel zu kurz gesprungen und eine einfache, arbeitgebernahe Forderung. Erzählen Sie mal einer Handwerkerin in Sachsen-Anhalt oder einem Stahlarbeiter in Niedersachsen, dass sie oder er noch bis zum 70. Lebensjahr arbeiten soll. Lebensleistung muss anerkannt werden, 45 Berufsjahre sind absolut genug. Selbst ein Renteneintritt ab 67 Jahren ist für viele Branchen eine absolute körperliche Zumutung und daher für uns als IG Metall gesellschaftlich nicht tragbar!“, so Gröger.
(Pressemitteilung Nr. 43/2022)