07.04.2021 | Arbeitszeiten bis zu 42 Stunden pro Woche, zum Teil viele hundert Euro unterhalb des Flächentarifniveaus, keine rechtssicheren Sonderzahlungen und Nasenprämien: Das ist derzeit Alltag bei Hülsmann & Tegeler in Georgsmarienhütte. Seit Jahresanfang gehört der Betrieb zu 100 Prozent zur Starke-Gruppe in Osnabrück. Die circa 60 Beschäftigten bei Hülsmann & Tegeler kümmern sich tagtäglich mit viel Einsatz und Engagement um die Belange und Wünsche ihrer Kunden.
Jetzt fordern die Kolleginnen und Kollegen sich selbst gegenüber das gleiche Engagement von der Familie Starke: die stufenweise und rechtssichere Einführung der KFZ-Flächentarifverträge.
Am Freitag den 19.03.2021 fand die erste Tarifverhandlung zwischen der Geschäftsführung der Hülsmann & Tegeler GmbH & Co. KG und der IG Metall in Georgsmarienhütte statt. Die Geschäftsführung, vertreten durch Frau Starke und Herrn Rechtsanwalt Hegemann, brach die Verhandlung nach nur 30 Minuten ohne sachliche Begründung ab. Droht dadurch eine Eskalation?
Nach einem kurzen Gespräch wurde schnell deutlich, dass die Geschäftsführung einen rechtsverbindlichen Tarifvertrag nicht nur kategorisch, sondern auch völlig ohne sachliche Begründung ablehnt. „Der Anwalt der Gegenseite stellte wortwörtlich heraus, dass Herr Starke niemals einen Tarifvertrag unterschreiben würde“, berichtet Markus Wente, Verhandlungsführer der IG Metall. „Das ist aus vielerlei Hinsicht sehr problematisch. Die Kolleginnen und Kollegen haben eine berechtigte Forderung aufgestellt. Tarifverträge sind geschützt durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Wer völlig grundlos Tarifverhandlungen ablehnt, nimmt nicht nur unser Grundgesetz, sondern auch die berechtigten Interessen seiner eigenen Beschäftigten offensichtlich nicht ernst. Ich kann nur hoffen, dass es ein fehlgeleiteter Schnellschuss des gegnerischen Anwaltes war und nicht neuerdings dem Grundsatz von Herrn Starke entspricht. Denn in der Vergangenheit hat dieser sehr wohl Tarifverträge unterschrieben, zuletzt 2009“, so Wente weiter.
Die Gespräche wurden von Seiten der Geschäftsführung abgebrochen. Die IG Metall stellte deutlich heraus, dass man bereit sei nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Die Geschäfts-führung jedoch scheint daran aktuell kein Interesse zu haben. Sie war nicht bereit, die Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Insgesamt führte das Verhalten der Arbeitgeberseite zu deutlichem Unmut in der Belegschaft. Diesen äußerten die Beschäftigten am heutigen Mittwoch, den 07.04.2021 in einer Pausenaktion auf dem Betriebsgelände: Tarifvertrag JETZT lautete die Parole der Kolleginnen und Kollegen.
„Die Kolleginnen und Kollegen sind sichtlich irritiert über das Verhalten der Arbeitgeberseite. Wir haben im Vorfeld unsere gemeinsame Forderung nach einem Tarifvertrag klar kommuniziert“, erläutert Fabian Schaper, zuständiger Gewerkschaftssekretär der IG Metall Osnabrück. „Uns in der aktuellen Pandemielage an einen Tisch zu holen, nur um uns zu erklären, dass man auf die berechtige Forderung der Belegschaft nicht eingehen wird, ist schon schwer nachzuvollziehen und abenteuerlich. Dieses brachten die Kolleginnen und Kollegen heute in einer ersten Pausenaktion deutlich zum Ausdruck“, so Schaper weiter.
Tarifverhandlungen leben von einem Interessenausgleich auf beiden Seiten. Die Beschäftigten sehen in ihren aktuellen Arbeitsbedingungen nicht den Qualitätsanspruch, den die Familie Starke selbst an das Unternehmen anlegt. „Wir sind bereit, die Verhandlungen wiederaufzunehmen und stehen für Gespräche jederzeit zur Verfügung. Auf der Gegenseite scheint da zumindest aktuell jedoch kein Interesse zu bestehen. Das ist noch mehr unverständlich, wenn man bedenkt, dass andere Autohäuser der Starke-Gruppe durchaus tarifgebunden sind und Herr Starke in der Vergangenheit bereits Tarifverträge mit der IG Metall geschlossen hat“, schätzt Markus Wente die aktuelle Situation ein.
Die betriebliche Tarifkommission wird nun die weiteren Schritte beschließen. Die Geschäftsführung wurde nochmals aufgefordert, sich schriftlich zu erklären. Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch seitens der Arbeitgeberseite kann die Situation wieder entspannen. Aktuell jedenfalls, sind auch Warnstreiks in Georgsmarienhütte nicht mehr ausgeschlossen.
Die Beschäftigten bei Hülsmann & Tegeler haben sich im vergangenen Jahr an die IG Metall gewandt, da das Lohnniveau teilweise deutlich (>20%) unter dem Niveau des Kfz-Flächentarifvertrags der Region Niedersachsen-Mitte und Osnabrück liegt. Einer ersten Aufforderung zu Tarifverhandlungen vom 28.01.2021 ist die Geschäftsführung am 19.03.2021 nachgekommen, brach die Gespräche aber nach ca. 30 Minuten ohne sachliche Begründung ab. Da der Betrieb keinem Tarifvertrag unterliegt und somit keine Friedenspflicht herrscht, wären Arbeitskampfmaßnahmen jederzeit möglich. Die Hülsmann & Tegeler GmbH & Co. KG gehört zu 100 Prozent zur Starke-Gruppe in Osnabrück. Die Starke-Gruppe beschäftigt circa 660 Kolleginnen und Kollegen. Verschiedene Autohäuser der Starke-Gruppe sind bereits heute voll tarifgebunden in den Flächentarifverträgen des Kfz-Gewerbes in Niedersachsen-Mitte und Osnabrück.