23.06.2022 | Kolleginnen und Kollegen aus den ostdeutschen Tarifgebieten im Kfz-Handwerk trafen sich am 13. und 14. Juni in Grimma zu einer gemeinsamen Tarif-Klausur, um den Kurs der künftigen Tarifarbeit abzustecken. Nach über zwei Jahren pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen, war der Gesprächsbedarf riesig und viele neue Herausforderungen erkennbar.
Neun Monate vor dem Auslaufen der Entgelttarifverträge im Kfz-Handwerk trafen sich die Tarifkommissionen aus den neuen Bundesländern gemeinsam zur Klausur. Eine gemeinsame Sitzung zwischen allen Ost-Deutschen Kommissionen war bislang einmalig, aber auch lange überfällig. Die aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Neuwagen, die hohe Inflation und die fortschreitende Transformation des Kfz-Gewerbes waren dabei die drängendsten Themen.
Die immer schnellere Veränderung der Branche hin zur Elektromobilität und die voranschreitende Digitalisierung täuschen aber nicht über eine durchgängig gute Geschäftslage hinweg. Ein ernstes Problem ist zunehmend die Rekrutierung von Fachkräften und Auszubildenden.
Die Autohaus-Branche befindet sich strukturell in einem Umbau: Kleine Autohäuser haben es zunehmend schwerer. Es entstehen große Autohausketten und Konzerne. Deren Wirkungskreise gehen über die regionalen Tarifgebiete hinaus und sind vielfach über den gesamten Osten verteilt. Dieses führt zu unterschiedliche tarifliche Reglungen innerhalb eines Unternehmens mit unterschiedlichen Standorten.
Bereits 2004 hatten die Landesinnungsverbände des Kfz-Gewerbes Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die ordentliche Kündigung aller Tarifverträge ausgesprochen. Die Landesverbände und Innungen hatten damit ihre Tarifpartnerschaft aufgegeben. Die Folgen sind offensichtlich: Die Löhne in weiten Teilen der Branche wurden im Vergleich zu tarifgebunden Betrieben auf niedrigem Niveau gehalten und für immer weniger junge Menschen ist das Kfz-Handwerk noch eine berufliche Perspektive.
Es drohte ein Häuserkampf, um jeden Standort. Die Niederlassungen der Hersteller und die größeren Händlerbetriebe entschieden sich einem neuen Verband („Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe“), anzuschließen. Die Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe vertritt rund 50 Mitgliedsbetriebe mit mehr als 5.000 Beschäftigten.
Bereits seit einigen Jahren führt die IG Metall im Kfz-Gewerbe ein „Weiß-Buch“ für tarifgebundene Betriebe: Unter dem Logo „Autohaus Fair“ zeichnet die Gewerkschaft Betriebe aus, die drei Kriterien erfüllen: Mitbestimmung durch einen Betriebsrat, Tarifbindung durch einen IG Metall Tarifvertrag und Zukunftssicherung durch Ausbildung im Betrieb. (www.autohaus-fair.de)
Die aktuellen Tarifverträge entsprechen dabei häufig nicht mehr der betrieblichen Realität. Viele Regelungen müssten der Moderne in den Betrieben angepasst werden. Zudem kommt hinzu, dass es noch immer deutliche Unterschiede in den Arbeitsbedingungen zwischen den Ost- und den West-Deutschen Tarifstandards gibt. Das zeigt, dass die Deutsche Einheit auch im Kfz-Gewerbe lange nicht abgeschlossen ist.
Die große Kommission beriet vor allem über die zukünftige Aufstellung in den Verhandlungen im ostdeutsche Kfz-Gewerbe, sowie über zukünftige Ziele und Vereinbarungen. Im September beraten die jeweils regionalen Kommissionen der einzelnen Tarifgebiete auch über eine möglicherweise zukünftig gemeinsame Aufstellung in den neuen Bundesländern. Mit gebündelten Kräften wollen die Kolleginnen und Kollegen dann ihre Zukunft gemeinsam aktiv gestalten.
Eine erneute gemeinsame Beratung der Tarifkommissionen ist für den 19. Oktober 2022 geplant.