Gewerkschaft zieht gemischtes Fazit für das Jahr 2021

21.12.2021 | Während das Jahr 2021 sich allmählich dem Ende entgegen bewegt, werfen die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen ihre Schatten für die kommenden 365 Tage voraus: Pandemie-Eindämmung, steigende Inflationsraten, Transformationsnotwendigkeiten. Die Aufgabenfelder und Anforderungen für das kommende Jahr sind vielfältig.

Thorsten Gröger, Bezirksleiter IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (Agentur: lieb.ich)

„Trotz erfreulicher Tarifabschlüsse und vielen wichtigen gesellschaftsrelevanten Aktionstagen, die wir als Gewerkschaft durchführen konnten, trübt die Corona-Pandemie nach wie vor das Jahresbild.“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: „Es bedrückt, dass wir in das dritte Pandemiejahr gehen, die Impfquoten weiterhin nicht ausreichend sind und Welle für Welle weitere, notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens notwendig sind!“

Gröger fügt in diesem Kontext an: „Ich hoffe stark, dass viele Menschen von der Möglichkeit der Impfung Gebrauch machen und einen Beitrag leisten, um sich selbst und ihre Mitmenschen zu schützen. Wir alle haben die Pandemie satt: Nur, wenn wir gemeinsam in eine Richtung rudern, können wir die Pandemie eindämmen. Ich finde es eine beunruhigende Entwicklung, wenn Einzelne meinen, das aus einem Recht auf eine eigene Meinung auch ein Recht auf eigene Fakten entwächst - dem ist mitnichten so. Wissenschaft, Impfungen, Booster und Tests sind Teil der Lösung. 2022 muss ein Jahr der Vernunft werden, sonst hangeln wir uns von Krisenmodus zu Krisenmodus!“

Gestartet ist das Jahr aus gewerkschaftlicher Sicht mit den großen Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie sowie bei Volkswagen. Nach mehr als sechs Wochen der Warnstreiks, an denen sich in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt rund 200.000 Beschäftigte beteiligten, konnte im April in beiden Branchen ein Tarifabschluss erzielt werden. „Ohne den tatkräftigen und lautstarken Einsatz der Kolleginnen und Kollegen wären diese Ergebnisse nicht möglich gewesen. Die Arbeitgeber wollten unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie eine Nullrunde durchdrücken. Doch der eindrucksvolle Protest der Warnstreikenden stoppte diesen Kurs. Mit Maske, Abstand und in Kurzarbeit sind die Beschäftigten mit uns auf die Straße gegangen und haben den Forderungen Gehör verschafft!“, so der Gewerkschafter. Mit dem Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie konnten Beschäftigung, Zukunft und Einkommen gesichert werden. Eine Corona-Prämie in Höhe von 500 Euro netto im Jahr 2021 und die Einführung eines jährlichen Transformationsgeldes  in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsentgeltes, das 2023 auf 27,6 Prozent steigt und als jährliche Einmalzahlung dauerhaft Bestand hat. Zur Sicherung der Zukunft hat die IG Metall Rahmenregeln für Zukunftstarifverträge in den Betrieben durchgesetzt, in denen etwa Zielbilder, Personalbedarf und Qualifizierung für die Arbeit der Zukunft ausgehandelt werden.

Auch bei Volkswagen hat die Tarifrunde ebenfalls ein gutes Ergebnis hervorgebracht: 2,3 Prozent mehr, freie Tage für alle - und 1400 neue Ausbildungsplätze jährlich bei VW. So lautete die Headline im April 2021. Konkret bedeutete dies, dass die Beschäftigten der Volkswagen AG 1000 Euro Corona-Prämie im Juni bekommen haben und die monatlichen Entgelte zum Januar 2022 um 2,3 Prozent tabellenwirksam steigen werden. Außerdem haben künftig alle Beschäftigten die Wahl, einen Teil der Tariflichen Zusatzvergütung (T-ZUV) von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts in drei freie Tage zu tauschen. Bislang war das – analog zur Wahloption beim Tariflichen Zusatzgeld (T-ZUG) in der Metall- und Elektroindustrie – nur für besonders belastete Beschäftigte mit Kindern, zu pflegenden Angehörigen oder in Schichtarbeit möglich. „Ferner, und das finde ich gerade für die jungen Menschen ein wichtiges Signal, hat Volkswagen zugesagt, jedes Jahr 1400 neue Auszubildende und dual Studierende einzustellen. Die Zusage gilt bis Ende 2025!“, führt Gröger weiter aus. 

Im Oktober sei man zudem mit der Arbeitgeberseite der Metall- und Elektroindustrie in Sachsen-Anhalt nach einer Gesprächsverpflichtung, vereinbart in der letzten Tarifrunde, an den Verhandlungstisch zurückgekehrt: Mit Erfolg. „Durch eine tarifvertragliche Öffnungsklausel können nun auf betrieblicher Ebene Verhandlungen über die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche geführt werden. Damit bröckelt mehr als 32 Jahre nach dem Mauerfall auch die Arbeitszeitmauer. Es ist ein wichtiges Signal für die Einheit, dass künftig die Arbeitszeit auch in weiten Teilen Ostdeutschland gesenkt und der in Westdeutschland angeglichen werden kann. Das kann aber nur ein Anfang sein: Wir wollen perspektivisch die verbindliche 35-Stunden-Woche in Sachsen-Anhalt und zugleich das weiterhin existente Lohngefälle zwischen Ost- und Westdeutschland beenden!“, schildert der Bezirksleiter weiter. 

Tarifpolitisch bleibe „unter dem Strich ein Jahr mit guten, soliden Tarifabschlüssen in schwierigen Zeiten!“. Ein ähnliches Bild zeige sich auch bei den weiteren Tarifrunden. Ob bei den VW-Töchtern, der Kfz-Tarifrunde, der Feinstblechpackungsindustrie, dem Tischlerhandwerk, der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie oder in der Holz- und Kunststoffindustrie: Angemessene Tarifabschlüsse in Krisenzeiten. 

Mit Blick auf die derzeitige Teuerung, die an Tankstellen, im Supermarkt und beim Blick auf die Energiekostenabrechnung „von jedermann bemerkbar ist, steht für uns als Gewerkschaft fest: Bei den nächsten Tarifrunden steht sicher das materielle Volumen im Fokus. Es geht darum, dass der allgemeine Preisanstieg nicht zulasten der Beschäftigten gehen darf. Es braucht satte Entgeltsteigerungen anstatt Reallohnverluste. Es darf nicht sein, dass die Teuerung die Portmonees der Kolleginnen und Kollegen auffrisst!“ Zugleich sieht der Bezirksleiter auch die Arbeitgeber in der Pflicht gute Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen: „Die Pandemie darf nicht missbraucht werden, um Standorte zu verlagern und Beschäftigungsverhältnisse abzubauen. Das betrifft auch die Situation der Ausbildungsplätze: Wer gute Fachkräfte will, muss auch in die Ausbildung eben jener investieren statt verfügbare Angebote zu reduzieren!“

Gesellschaftspolitisch standen zwei große Wahltermine für die Gewerkschaft im Fokus: Zum einen fand am 6. Juni 2021 die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt statt. Sicherlich sei es erfreulich, dass ein „Wahlsieg der Rechtsextremisten abgewendet werden konnte. Zugleich ist ein Anteil derjenigen, die mit antidemokratischen Tendenzen liebäugelt, mit 20 Prozent besorgniserregend hoch. Die Aufgabenliste in Sachsen-Anhalt ist lang genug. Die neue Regierung muss die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, dem Strukturwandel begegnen und einer Deindustrialisierung entgegenwirken!“

Im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September 2021 haben die Metallerinnen und Metaller, so Gröger, bundesweit die Aktivitäten hochgefahren und den Druck auf die Politik erhöht: „Mit unserem bundesweiten Aktionstag haben wir ein deutliches Zeichen für einen fairen Wandel gesetzt. Die neue Regierung muss die sozial-ökologische Transformation in unserem Land voranbringen. Dafür braucht es mehr als warme Worte, es braucht Investitionen in Milliardenhöhe. Für uns als IG Metall ist klar, dass es in der Transformation keine Entlassungen geben darf. Stattdessen muss die Nachhaltigkeitsrevolution ein Jobmotor für neue Beschäftigungsverhältnisse werden. Die Transformation darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden. Das haben wir mit unserem Aktionstag am 28. Oktober 2021 mit mehr als 50.000 Teilnehmenden im ganzen Bundesgebiet, zu verstehen gegeben.“

Auch wenn mit 2021 ein „Super-Wahljahr“ zu Ende geht, steht das nächste Jahr mit vielen Wahlentscheidungen an: Zum einen beginnen im März 2022 die Betriebsratswahlen. „Wir haben als IG Metall den klaren Anspruch mit großem Abstand die stärkste Fraktion in den Betrieben zu werden. Gemeinsam wollen wir die Kolleginnen und Kollegen vor Ort davon überzeugen, dass wir als IG Metall die richtigen Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen haben und die Kümmerer in den Betrieben sind!“, zeigt sich der Gewerkschafter entschlossen. 

Nicht zuletzt findet im kommenden Oktober die Landtagswahl in Niedersachsen statt. „Es geht für unser Bundesland um viel. Um auch weiterhin zukunftsfähig zu bleiben, sichere Arbeitsplätze zu gewährleisten und die Klimawende voranzutreiben, braucht es kluge Konzepte. Wir fordern dabei flächendeckende Zukunftsinvestitionen in die digitale und öffentliche Infrastruktur sowie in das Bildungs- und Gesundheitswesen - das alles kann beispielsweise über einen NiedersachsenFonds gewährleistet werden. Ferner braucht es einen Turbo beim Ausbau der Ladeflächeninfrastruktur für Elektroautos, mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien in unserem Land und nicht zuletzt eine Politik, die den Industriestandort Niedersachsen stärkt. Im Besonderen ist unser Land von dem Wandel der Industrie betroffen - es geht um die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsplätzen und die Existenz ganzer Familien. Die Transformation muss ökologisch und sozial zugleich erfolgen!“, fordert Thorsten Gröger abschließend. 

(Pressemitteilung Nr. 115/2021)

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