09.09.2024 | Der rote Teppich war ausgerollt, die Scheinwerfer auf die Leinwand gerichtet: Im Astor Grand Cinema in Hannover fand heute die tarifpolitische Konferenz der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt statt. Doch statt eines Hollywood-Blockbusters stand ein weit wichtigeres Drehbuch im Mittelpunkt – die bevorstehenden Tarifverhandlungen für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Unter dem Motto „Solidarität gewinnt“ wurden die zentralen Forderungen und Argumente noch einmal eindrucksvoll vor rund 400 anwesenden Metallerinnen und Metallern auf die große Leinwand projiziert.
Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, hob in der niedersächsischen Landeshauptstadt hervor: „Die Beschäftigten haben mehr Geld verdient. Sie kämpfen mit den gestiegenen Preisen für Essen, Wohnen, Leben – wir kämpfen mit ihnen für einen dauerhaften finanziellen Ausgleich. Wir haben über 300.000 Menschen in den Betrieben befragt, was ihnen in dieser Tarifrunde wichtig ist und haben ein klares Votum für mehr Entgelt erhalten. Das ist uns als Gewerkschaft ein deutlicher Auftrag!“
Der Beifall der anwesenden Delegierten und Mitglieder unterstrich die Entschlossenheit, mit der die IG Metall in die bevorstehenden Verhandlungen geht. Die IG Metall fordert in der Tarifrunde 2024 neben einer dauerhaften Entgelterhöhung um 7 Prozent eine Erhöhung der monatlichen Ausbildungsvergütungen von 170 Euro. Im Tarifergebnis soll eine soziale Komponente verankert sein, von der insbesondere die unteren Entgeltgruppen profitieren. Bei geschlossenem Manteltarifvertrag soll ferner eine Verbesserung und Weiterentwicklung der Anspruchsmöglichkeiten für die tarifliche Freistellungszeit erreicht werden.
Die Erste Vorsitzende der IG Metall sagte weiter: „Der private Konsum schwächelt aktuell. Diesen können wir durch mehr Geld für die Beschäftigten ankurbeln!“ Dabei handle es sich nicht nur um eine Verantwortung gegenüber den Beschäftigten, sondern eine dauerhafte Steigerung der monatlichen Entgelte führe auch zu einem Anregen der Binnenkonjunktur, was letztlich der ganzen deutschen Wirtschaft zugutekäme. Benner betonte auch die Notwendigkeit von massiven Investitionen, um die Zukunfts- und Beschäftigungssicherheit des Landes zu gewährleisten. „Wir machen Tarifpolitik mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein. Die Interessen der Beschäftigten stehen für uns im Vordergrund, ohne dass wir dabei die Gesamtwirtschaft aus dem Auge verlieren. Aber: Tarifpolitik kann viel lösen, die großen Fragen der Energiepreisgestaltung, Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur, sichere Rahmenbedingungen – das ist vor allem Aufgabe der Politik.“
Besondere Aufmerksamkeit gilt auch den Forderungen für die Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie. Nadine Boguslawski, Tarif-Vorständin der IG Metall verdeutlichte, warum eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 170 Euro pro Ausbildungsjahr notwendig ist: „Junge Menschen stehen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und gleichzeitig vor großen finanziellen Herausforderungen. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten treffen sie besonders hart. Wir müssen dafür sorgen, dass die Ausbildung in unserer Schlüsselindustrie nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch finanziell attraktiv bleibt. Die Erhöhung der Ausbildungsvergütung ist ein Attraktivitäts-Turbo, der auch dem Fachkräftemangel entgegenwirkt.“
Die IG Metall unterstreicht, dass es sich bei dieser Forderung um eine strategische Investition in die Zukunft handelt: „Unsere Auszubildenden sind die Fachkräfte von morgen, sie sind die Zukunft unserer Industrie. In diese Zukunft gilt es jetzt zu investieren, mit 170 Euro mehr im Monat. Nur so können wir die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig erhalten“, so Boguslawski weiter.
Mit einer eindrucksvollen Inszenierung der tarifpolitischen Konferenz machte die IG Metall klar, dass die bevorstehenden Tarifverhandlungen mehr als nur eine Auseinandersetzung um Zahlen sind – sie sind ein Kampf für die wirtschaftliche Stabilität und die soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Die Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie starten offiziell in einer Woche – am 12. September im Tarifgebiet Niedersachsen und einen Tag später in den Tarifgebieten in Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim sowie Sachsen-Anhalt. Die IG Metall ist bereit, auf die große Bühne zu treten und für die Interessen ihrer Mitglieder einzustehen. Zur Not auch mit den Mitteln des Arbeitskampf-Werkzeugkastens – ab dem 29. Oktober wären Warnstreiks möglich.
Die aktuelle Situation bei Volkswagen überschattete die vergangenen Sommertage. Dazu unterstrich Christiane Benner in Hannover: „Die Nachrichten aus Wolfsburg sind dramatisch. Und unsere Reaktion darauf ist deutlich: So nicht, liebes VW-Management! Die Beschäftigten stehen nicht mit Lohneinbußen oder ihrem Arbeitsplatz dafür ein, dass ihr jahrelang die falschen Entscheidungen getroffen habt! Die Ankündigungen von VW sind schockierend. Mit Axt, Kettensäge und Bulldozer gleichzeitig drohen, Standorte, Beschäftigungssicherung und tarifliche Standards infrage stellen? Das ist für uns als IG Metall ein Eingeständnis von Planlosigkeit der Unternehmensseite!“
Benner ergänzt: „Die IG Metall steht an der Seite der Beschäftigten und des Betriebsrates, wir werden uns gemeinsam gegen die überbordenden Pläne des Unternehmens wehren. Stattdessen brauchen wir einen gemeinsamen Weg, um für VW und seine Beschäftigten eine in jeder Hinsicht nachhaltige und zuverlässige Zukunft zu gestalten. Es geht hier um Volkswagen. Aber VW ist größer als nur ein Unternehmen, das muss ich dem Vorstand dieses Unternehmens hoffentlich nicht erklären. Diese Pläne hätten Konsequenzen für Kommunen, Bundesländer und im Endeffekt für das ganze Land. Da trägt man Verantwortung. Wir wissen als IG Metall, wie Verantwortung übernehmen geht. Ich hoffe, das Top-Management bei VW weiß es auch und stellt sich endlich dieser Aufgabe. Wir sind gesprächsbereit und wir sind kampfbereit!“