IG Metall Jugend

Auszubildende, Studierende und junge Beschäftigte dürfen in der Krise nicht durchs Netz fallen

06.04.2020 | Auszubildenden und Studierenden dürfen keine Nachteile aufgrund der Corona-Krise entstehen.

PantherMedia / Phovoi R.

Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt

Louisa Mertens, Bezirksjugendsekretärin der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt

Hannover - Die mehr als 1,3 Millionen Auszubildenden in Deutschland sind keine regulären Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern dringend benötigte Nachwuchskräfte, die eine duale Berufsausbildung nach festen gesetzlichen Regularien auf der Basis eines Ausbildungsvertrags und des Berufsbildungsgesetzes absolvieren.

Es muss sichergestellt werden, dass sie ihre Ausbildung fortführen können und auch weiterhin die volle Ausbildungsvergütung erhalten, bis alles wieder in geordneten Bahnen verläuft. Auszubildende, die vor dem Ende ihrer Ausbildung stehen, müssen mit dem Abklingen der Pandemie ihren Abschluss machen können und in der Zwischenzeit im Ausbildungsverhältnis verbleiben.

Auch Studierende müssen sowohl um ihre Existenzsicherung in der Krise, als auch um den geregelten Abschluss des von ihnen gewählten Bildungsweges fürchten. An deutschen Hochschulen studieren derzeit 2,9 Millionen Studierende, rund 120.000 von ihnen arbeiten dort als studentische Beschäftigte.

Schutz und Sicherheit für Auszubildende: Gute Ausbildung auch in der Corona-Krise sicherstellen. Der erfolgreiche Abschluss muss oberstes Ziel bleiben.

Die IG Metall fordert: Die Ausbildung muss auch in der Corona-Krise fortgeführt werden. Ein langfristiger Ausfall der Ausbildung birgt für Auszubildende die Gefahr, das Ausbildungsziel nicht zu erreichen und betrifft damit grundlegende Existenzfragen der jungen Menschen. Auszubildenden muss ermöglicht werden, die Ausbildungsinhalte lernen zu können und diese bei den Prüfungen nachzuweisen. „Der Ausbildungsbetrieb muss also alle Mittel ausschöpfen und die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen treffen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Schließlich kann die Ausbildung auch unabhängig von der tatsächlichen Auslastung der Betriebe durchgeführt werden“, erklärt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Finanzielle Sicherheit für Auszubildende gewährleisten - Sechs Wochen Lohnfortzahlung muss bleiben

Bei allen Maßnahmen gilt stets die sechswöchige volle Vergütungsfortzahlung. Auszubildende, die eine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) absolvieren, sind durch dieses Gesetz für sechs Wochen besonders geschützt. Sie haben für diesen Zeitraum einen Anspruch auf die volle Vergütung, wenn sie sich für die Ausbildung bereithalten, diese aber ausfällt. Aktuell gibt es von verschiedenen Seiten Initiativen, die dieses Schutzrecht abschaffen wollen. Die Folge wäre eine erhebliche finanzielle Notlage für viele junge Menschen. „Das darf nicht passieren. Wir wehren uns entschieden gegen alle Versuche, die grundlegenden Rechte von Auszubildenden zu beschneiden“, so Louisa Mertens, Bezirksjugendsekretärin der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Keine Corona-Delle auf dem Ausbildungsmarkt

Das Frühjahr ist für viele Betriebe und Unternehmen die Zeit, um nach neuen Auszubildenden zu suchen und Ausbildungsverträge für den Start des neuen Ausbildungsjahres im Herbst abzuschließen. Jedes Jahr beginnen über eine halbe Millionen junger Menschen eine duale Berufsausbildung. In der aktuellen Situation besteht aber die große Gefahr, dass Ausbildungsbetriebe ihre Anstrengungen zurückfahren oder ganz einstellen. Viele Betriebe wissen aktuell nicht, wie sie die nächsten Wochen überstehen werden. „Das wird unausweichliche Folgen haben“, sagt Gröger. „Bereits jetzt schon erreichen uns Informationen, wonach viele bisher als frei gemeldete Ausbildungsplätze von den Betrieben wieder zurückgezogen werden. Um zu verhindern, dass im Herbst hunderttausende junge Menschen ohne Ausbildung und ohne Perspektive dastehen, ist es jetzt notwendig, einen massiven Ausbau staatlich geförderter Ausbildungsplätze für die kommenden zwei Ausbildungsjahre ab Sommer 2020 voranzutreiben. Wir fordern die Politik auf, ein sofortiges Sonderprogramm zur Ausbildungssicherung auf den Weg zu bringen.“

Sicherheit bei Ausbildungsende gewährleisten: Abschlussprüfung in der Ausbildungszeit ermöglichen

Die Kammern und Betriebe sind aufgefordert, die Prüfungen in der Ausbildungszeit zu ermöglichen. Da aktuell alle Abschlussprüfungen durch die Kammern abgesagt und verschoben wurden, besteht für diejenigen Auszubildenden, die sich am Ende ihrer Ausbildung befinden, die Gefahr, dass ihr Ausbildungsverhältnis endet, ohne einen Abschluss machen zu können. „Bei Ausfall der Abschlussprüfungen muss es deshalb einen Anspruch auf Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses geben“, fordert Mertens.

Kein Nachteil für Auszubildende wegen fehlender Zwischenprüfung

Die Kammern haben aufgrund der aktuellen Situation die anstehenden Zwischenprüfungen zunächst ersatzlos gestrichen. Im Gesetz ist aber verankert, dass das Absolvieren der Zwischenprüfung Voraussetzung für die Teilnahme an der Abschlussprüfung ist. „Das darf den betroffenen Auszubildenden nicht zum Nachteil ausgelegt werden“, sagt Gröger.  „Nicht absolvierte Zwischenprüfungen aufgrund der Corona-Krise dürfen keine Relevanz für die Teilnahme an der Abschlussprüfung haben.“

 

Übernahme nach der Ausbildung absichern

Viele junge Menschen stehen aktuell kurz vor dem Abschluss ihrer Berufsausbildung. Nach der Krise wird auch die Fachkräftenachfrage wieder steigen. Dazu muss jungen Menschen eine längerfristige Perspektive durch die Übernahme nach der Ausbildung gegeben werden. „Wir fordern die Arbeitgeber auf, die Übernahmezusagen einzuhalten. Die gesetzlichen Vorgaben sind zu beachten. Wenn die Übernahmevereinbarung in den letzten sechs Monaten vor Ende der Ausbildung geschlossen wurde, behält diese ihre Wirksamkeit. Das gilt erst recht für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge“, erklärt Mertens.

Studierende müssen in der Coronakrise geschützt werden

Erwerbstätige Studierende haben in der Regel aufgrund ihres Sozialversicherungsstatus weder Anspruch auf ALG noch aus Leistungen aus dem SGB II (ALG II). Sie stehen bei Jobverlust ohne Einkommen da. „Deswegen sehen wir die Notwendigkeit, das ALG II so umzubauen, dass im Fall von singulären Ereignissen wie Naturkatastrophen oder Epidemien, die den Arbeitsmarkt in Härte treffen, Sonderregelungen für die Anspruchsberechtigung im ALG II greifen. Damit auch Studierende sofort einen befristeten Anspruch auf ALG II erhalten“, erläutert Gröger. „Um finanzielle Härten abzufedern, fordern wir außerdem das Aussetzen der Regelung über das Ausscheiden aus der Familienversicherung bei Erreichen der entsprechenden Altersgrenzen. Darüber hinaus muss das BAföG sofort, insbesondere auch im Hinblick auf krisenbedingte Aktualisierungsanträge, entbürokratisiert und die Einkommensfreibeiträge erhöht werden.“

Nachteile aufgrund eingeschränkten Lehrbetriebs verhindern

Der Studienbetrieb befindet sich im Ausnahmezustand und startet so in das nächste Semester. Die Hochschulen sind weder pädagogisch noch technisch darauf vorbereitet, flächendeckend die Lehre auf digitale Angebote umzustellen. „Daher: Es muss für den Fall, dass das Sommersemester 2020 nicht mehr in einen regulären Studienbetrieb überführt werden kann, sichergestellt sein, dass dieses Semester nicht gezählt wird, wo es negative Folgen nach sich ziehen würde. Das Einhalten der Regelstudienzeit, von der eine Reihe anderer Ansprüche, wie z.B. das BAföG, abhängt, als auch die Verlängerung von Visa zu Studienzwecken muss demnach in dieser Ausnahmesituation möglich sein. Stipendien zur Studien- und Promotionsförderung sind analog zum BAföG zu verlängern. Des Weiteren müssen auslaufende Studienordnungen und -gänge um ein Semester verlängert werden. Zwangs-Exmatrikulationen sollen ausgesetzt werden“, fordert Mertens. „Angesichts flächendeckender Schließungen des Präsenzbetriebes aller Hochschulen einschließlich der Bibliotheken und gravierender krisenbedingter Veränderungen des Lehrangebotes fordern wir die Hochschulen darüber hinaus auf, keine Studiengebühren für dieses Semester zu veranschlagen.“

Absicherung von dual Studierenden

„Gerade jetzt zeigt es sich, wie wichtig es ist, das duale Studium besser zu regulieren, um Klarheit und Transparenz in der Rechtsprechung herzustellen. Aktuell ist die Rechtslage vor allem für dual Studierende

in praxisintegrierten Studiengängen katastrophal undurchsichtig, weil dual Studierende noch nicht dem Schutz des Berufsbildungsgesetzes unterliegen“, kritisiert Gröger.

Die IG Metall fordert, das Praxisphasen von ausbildungsintegrierten und praxisintegrierten Studiengängen in den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes mit aufgenommen werden. Zudem müssen die Betriebe auch in den Zeiten von Corona so gut es geht ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen. Dual Studierende sollen dabei Anspruch auf eine volle Vergütung haben. Kurzarbeit für dual Studierende muss so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Bei der Verschiebung von Abschlussprüfungen muss auch hier die Ausbildungszeit verlängert werden.

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