Gewerkschaftlicher Handwerksausschuss zu Gast im Landtag

Klare Botschaft an die Politik: Investitionen mit Tarifbindung verknüpfen, Zukunftsdialog jetzt starten!

15.05.2025 | Die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist in vollem Gange. Doch während in politischen Sonntagsreden gerne von Digitalisierung, Klimawende und Energiezukunft gesprochen wird, bleiben die Arbeitsbedingungen derer, die diesen Wandel praktisch umsetzen sollen, allzu oft unterbelichtet. Das Handwerk steht im Zentrum dieser Transformation – es ist nicht nur betroffener Sektor, sondern aktiver Treiber: bei der Installation von Photovoltaik, Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur, energetischer Sanierung und vielem mehr. Doch damit das Handwerk diesen Anforderungen gerecht werden kann, braucht es vor allem eines: verlässliche Perspektiven für die Beschäftigten.

Foto: IG Metall

Um dieser Botschaft Nachdruck zu verleihen, hat der Handwerksausschuss der IG Metall am Mittwoch den Niedersächsischen Landtag besucht und dort das direkte Gespräch mit politisch Verantwortlichen gesucht. Im Mittelpunkt stand ein konstruktiver Austausch mit der Landtagsopposition: Christian Frölich, Landtagsabgeordneter der CDU, handwerkspolitischer Sprecher seiner Fraktion und gelernter Maurer mit langjähriger Handwerkserfahrung, nahm sich Zeit für den Austausch mit ehrenamtlichen Betriebsräten und hauptamtlichen IG Metall-Vertretern. Die klare Botschaft der IG Metall: Zukunft für das Handwerk gibt es nur mit Tarifbindung, Mitbestimmung und gezielter Fachkräftestrategie.

Markus Wente, Tarif-Verhandlungsführer der IG Metall in diversen Gewerken, stellte klar: „Die Landespolitik muss das Handwerk ernst nehmen – nicht nur als symbolische Stütze der Transformation, sondern als realen Ort, an dem Zukunft praktisch gemacht wird. Doch das geht nur mit starken sozialen Fundamenten. Wer Milliarden in Infrastruktur steckt, darf Tarifbindung und Mitbestimmung nicht länger zur Option erklären. Sie müssen zur Voraussetzung werden.“

Die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt fordert die Politik auf, in der laufenden Legislaturperiode endlich eine sozial gerechte Handwerkspolitik auf den Weg zu bringen. Dabei stehen für die Gewerkschaft folgende Punkte im Zentrum:

Erstens: Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz müssen an Tarifbindung gekoppelt werden. Die öffentlichen Mittel, die in den kommenden Jahren in Energiewende, Gebäudesanierung und Digitalisierung fließen, dürfen nicht in Unternehmen ohne tarifliche Absicherung und Mitbestimmung versickern. Wer keiner Tarifbindung unterliegt, keine Ausbildung anbietet oder gar Betriebsräte aktiv verhindert, darf keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten. Dafür braucht es jetzt endlich eine verbindliche Tariftreue-Regelung in Niedersachsen.

Zweitens: Die Politik muss den Transformationsprozess aktiv begleiten. Der Wandel zu einer klimaneutralen, digitalisierten Wirtschaft braucht einen klaren politischen Rahmen – gerade im Handwerk. Dort fehlen oft die Kapazitäten, um Förderprogramme zu beantragen, Weiterbildung zu organisieren oder Personal zu binden. Die IG Metall fordert ein landesweites Förder- und Beratungsnetz für das Handwerk, das neben der Einführung neuer Technologien auch die Förderung tariflicher Standards und die Einbindung von Mitbestimmungsstrukturen aktiv unterstützt. Transformation muss vor Ort begleitet und gesteuert werden – mit sozialpartnerschaftlichem Rückgrat.

Drittens: Der Fachkräftemangel muss strategisch bekämpft werden. Allein in Niedersachsen fehlen zehntausende Handwerkerinnen und Handwerker – besonders in systemrelevanten Bereichen wie Bauelektrik, SHK, Kälte- und Energietechnik. Gleichzeitig wandern gut ausgebildete Gesellinnen und Gesellen in die Industrie ab – weil sie dort mehr verdienen, kürzer arbeiten und besser abgesichert sind. Das Handwerk muss aufholen: Bei Entgelten, Arbeitszeitmodellen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Aufstiegsmöglichkeiten. Die Landespolitik darf sich nicht länger hinter Imagekampagnen verstecken – sie muss systematisch und strukturell Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern.

Wente betont: „Wer heute versucht, Fachkräftemangel mit Schmalspurausbildungen und Leiharbeit zu kaschieren, spielt mit der Substanz. Wir brauchen eine Stärkung der dualen Ausbildung – nicht ihre Aufweichung. Und wir brauchen flächendeckend verbindliche tarifliche Standards, sonst verliert das Handwerk weiter an Boden.“

Die IG Metall erinnert an den im niedersächsischen Koalitionsvertrag vereinbarten Zukunftsdialog Handwerk für Niedersachsen. Dieser sollte dauerhaft als Plattform dienen, auf der Landespolitik, Gewerkschaften, Handwerksorganisationen und Arbeitgeber Lösungen für die Herausforderungen der kommenden Jahre entwickeln – auf Augenhöhe, ergebnisorientiert und verbindlich. Es reicht nicht, auf Berlin oder Brüssel zu warten – der Wandel passiert vor Ort, in Werkstätten und auf Baustellen. Ob Gebäudesanierung oder Digitalisierung, Fachkräftegewinnung oder Tarifflucht – diese Fragen müssen im Schulterschluss beantwortet werden. Wente betonte in Hannover: „Das Handwerk ist nicht der günstige Erfüllungsgehilfe der Industrie – es ist Innovationsmotor, Ausbildungsstätte und Anker in der Region. Damit es auch weiterhin so bleibt, brauchen wir neue Allianzen zwischen Politik, Kammern und Gewerkschaften. Der Wandel ist nur dann ein Erfolg, wenn er auch die Menschen mitnimmt, die ihn umsetzen.“

Die IG Metall schlägt vor, regionale Zukunftswerkstätten für das Handwerk einzurichten. Dort sollen Modellprojekte zur 4-Tage-Woche, zu gezielter Fachkräfteintegration, zur betrieblichen Weiterbildung sowie Aufqualifizierung und zu neuen Formen der Mitbestimmung entstehen. Die Erkenntnisse sollen dann landesweit skaliert, in die Politik rückgekoppelt und ausgerollt werden. Besonders für kleinere Handwerksbetriebe braucht es niedrigschwellige Zugänge zu Fördermitteln und Qualifizierungsberatung – etwa durch regionale „Transformationsberaterinnen und -berater für das Handwerk“, in enger Zusammenarbeit mit den Innungen, Kammern und Gewerkschaften.

Die IG Metall formuliert ihre politischen Erwartungen an das Land Niedersachsen klar:

  • Tarifbindung als Fördervoraussetzung gesetzlich verankern und zur Bedingung bei öffentlichen Aufträgen machen
  • Wie im Koalitionsvertrag vereinbart einen landesweiten Zukunftsdialog Handwerk einrichten – sozialpartnerschaftlich und dauerhaft
  • Transformation sozial gestalten: Weiterbildung, Mitbestimmung, Entgeltgerechtigkeit
  • Fachkräftestrategie neu denken: Integration, Berufsorientierung und Tarifbindung zusammendenken
  • Demokratische Mitbestimmung auch im Handwerk ermöglichen: Betriebsräte fördern, Schutz vor Behinderung stärken

Das Handwerk ist nicht nur historischer Berufsstolz, sondern Zukunftsbranche. Doch diese Zukunft fällt nicht vom Himmel – sie muss gestaltet werden. Die IG Metall stellt sich dieser Aufgabe, gemeinsam mit engagierten Betriebsräten, Kammern und politischen Partnern. Jetzt ist es an der Landesregierung, zu beweisen, dass sie das Handwerk wirklich ernst nimmt. Markus Wente bringt es auf den Punkt: „Wer heute die Bedingungen für das Handwerk nicht verbessert, riskiert morgen den Stillstand der Transformation. Tarifbindung, Mitbestimmung und eine faire Fachkräftestrategie sind kein Nice-to-have – sie sind die Grundlage für ein modernes, leistungsfähiges und gerechtes Handwerk.“

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