Gewerkschaft präsentiert Forderungskatalog zur Landtagswahl - Zusätzlich 50 Milliarden Euro für Transformation der Industrie notwendig

17.06.2022 | Zwei Jahre Pandemie, der fortschreitende Klimawandel und nicht zuletzt der zerstörerische Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine: Die Welt befindet sich in multiplen globalen Krisen, die die Gesellschaft, die gewohnten Lebensweisen und letztlich den gesamten Planeten bedrohen. Während durch das Coronavirus bereits zwei Jahre lang an keine Normalität zu denken war und sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Einschränkungen hinzunehmen waren, offenbart nun der Krieg in der Ukraine neue Ungewissheiten und Herausforderungen.

Zweifelsohne verändert der Krieg in der Ukraine auch das Leben hierzulande: Steigende Energiepreise und Lebenshaltungskosten sowie eine ausufernde Inflationsrate müssen von der Politik gestoppt werden. Die Integration geflüchteter Menschen aus der Ukraine muss bestmöglich und unbürokratisch stattfinden. Auswirkungen auf die hiesige Wirtschaft sind, soweit möglich, durch den Staat abzufedern. Auch für die Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens löst der Krieg auf europäischen Boden große Bestürzung, breite Solidarität und nachdenkliche Zukunftsfragen aus. Inmitten dieser vielen Fragestellungen, findet am 9. Oktober 2022 in Niedersachsen die Landtagswahl statt.

Die Arbeitswelt, die gesamte Industrie und auch weitreichende Teile unserer Gesellschaft werden in den kommenden Jahren mit weitreichenden Veränderungen konfrontiert. Der Umbruch, den der Klimawandel, die Digitalisierung sowie die notwendige Transformation ganzer Wirtschaftszweige mit sich bringen, werfen viele Fragestellungen auf und verlangt neue Antworten. Um kluge Strategien im Strukturwandel zu verfolgen und die weitere Zukunft des Landes auf ein sicheres Fundament zu bauen, braucht es zeitnahe Entscheidungen und Weichenstellungen.

Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, erklärt vor dem Kontext der Landtagswahl im Oktober: „Es ist eine Politik erforderlich, die einerseits die Rahmenbedingungen für den sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und des Wirtschaftslebens intelligent gestaltet, andererseits aber auch durch staatliche Mittel direkt unterstützt. Inmitten der schwersten Krisen seit Gründung der Europäischen Union — sei es der Krieg in der Ukraine oder die Eindämmung der Corona-Pandemie — finden die größten Umbrüche der Wirtschaft seit der industriellen Revolution statt. Ganze Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand oder vor dem Aus. Die Wirtschaft soll digitaler und muss klimaneutraler werden. Dieser Forderung wollen Unternehmen und Belegschaften sowie die Gewerkschaft nachkommen: Den Weg kann man jedoch nur gemeinsam beschreiten und er muss vor allem politisch mit Rahmenbedingungen und massiven Investitionen flankiert werden.“

Vor dem Hintergrund der Landtagswahl hat die IG Metall im Rahmen ihrer Bezirkskonferenz in Hannover einen 5-Punkte-Plan präsentiert, der Anforderungen an die politischen Parteien im Land und die kommende Landesregierung formuliert:

1. Mehr finanzielle Mittel für die Gestaltung der Transformation

Die Industrie unseres Landes steckt in einem tiefgreifenden Wandel. Klimaschutz, globale Konkurrenz und technologischer Wandel verändern fast alles. Die Transformation betrifft viele Regionen und Branchen der IG Metall, von der Automobilindustrie über den Maschinenbau, die Stahlindustrie oder die Luftfahrtbranche bis hin zu den vielen Zulieferbetrieben der Metall- und Elektroindustrie. Einen derart fundamentalen Wandel muss die Politik aktiv begleiten und gestalten, er darf nicht den freien Marktkräften überlassen werden. „Wir stehen für eine sozial-ökologische Transformation ein. Für uns sind Klimaschutz und die Schaffung sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen kein Widerspruch, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille. Vor diesem Hintergrund fordern wir zusätzlich 50 Milliarden Euro für die Gestaltung der Transformation der Industrie im Land für die nächsten 10 Jahre!“, so Thorsten Gröger.

2. Mutige Investitionspolitik statt schwarzer Null

„In konservativen und wirtschaftsliberalen Kreisen wird stets das Bild gezeichnet, dass alleine ein ausgeglichener Landeshaushalt einen Beitrag für Generationengerechtigkeit bilde. Doch was nützt ein abbezahltes Grundstück, wenn das darauf stehende Haus und das gelegte Fundament marode und brüchig sind? Was nützt es, wenn der Landeshaushalt ausgeglichen ist, aber massive Investitionsstaus im öffentlichen Gesundheitswesen, bei der digitalen Infrastruktur, im Bildungssektor oder bei öffentlichen Institutionen bestehen?“, fügt der Metaller an.

Die IG Metall vertritt die klare Auffassung, dass den zukünftigen Herausforderungen nur mit einer mutigen und progressiven Finanzpolitik begegnet werden kann. Für die Aufgaben von Morgen darf es keine Finanzpolitik von vorgestern geben. Die schwarze Null ist eine klare Zukunftsbremse. Alternativ unterstützt die IG Metall das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Niedersachsen vorgeschlagene Konzept eines N-Fonds.

3. Turbo beim Ausbau der erneuerbaren Energien

Die Beschleunigung der Energiewende ist das zentrale Projekt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Industrie. Die Nachhaltigkeitsrevolution ist aber, wie wir jüngst sehen, auch ein Weg zu einem Stück mehr Freiheit: Wenn wir nicht länger abhängig von ausländischen Ressourcen wie Gas, Öl und Kohle sind, ist dies auch ein relevanter Faktor aus sicherheitspolitischer Sicht.

„Der schnellere Ausbau und die Schaffung von Akzeptanz für erneuerbare Energien sind daher die Kernaufgabe der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Notwendig ist eine verlässliche und transparente Entwicklung der erforderlichen Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen verlässliche Ausbaupfade für Wind- und Solarenergie, um einen Anteil von mindestens 65 Prozent, besser 70 Prozent erneuerbarer Energien beim Stromverbrauch 2030 zu erreichen. Dazu sind deutlich erhöhte jährliche Ausschreibungen nötig. Zum künftigen Strombedarf muss auch die Landesregierung realistischere Annahmen treffen. Mobilität, Grundstoffindustrie und Wärmesektor sind noch nicht ausreichend berücksichtigt.“, führt Gröger aus.

4. Masterplan „Gute Arbeit“

Erst durch die Mitbestimmung wird die Demokratie auch in der Arbeitswelt gelebt. Auf dem Weg der Transformation der Industrie dürfen die sozialen Leitplanken keineswegs außer Acht gelassen werden. Die künftige Landesregierung ist gut beraten, wenn sie die Schaffung und den Erhalt guter sowie sicherer Arbeitsplätze in Niedersachsen in das Zentrum ihres Handelns stellt. „Es braucht unserer Einschätzung nach einen Masterplan für gute Arbeit. So sollte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oder öffentlicher Förderung sichergestellt sein, dass faire Löhne bezahlt und die betriebliche Mitbestimmung eingehalten werden. Gute Arbeit ist auch ein Faktor für die Betriebe, wenn es um den Wettbewerb um die besten Köpfe geht.“, erklärt der Bezirksleiter.

5. Stärkung der Mobilität und des ÖPNV

Das Auto bleibt vielerorts das Fortbewegungsmittel Nr. 1 – gerade im Flächenland Niedersachsen ist bei den derzeitigen Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs das zurückgreifen auf Bus und Bahn oftmals eine Herausforderung. „Im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, aber auch mit Blick auf die Arbeitswege der Beschäftigten zu den Betrieben, fordern wir einen massiven Ausbau des ÖPNV in Niedersachsen. Nicht nur, dass die Taktung und Routenführung – gerade auch mit Blick auf ländlichere Regionen – deutlich zu verbessern ist, es muss auch eine preisliche Anpassung stattfinden, sodass das Bus- und Bahnfahren in Niedersachsen massiv an Attraktivität gewinnt. Hemmnisse wie Verbundstrukturen müssen überwunden werden, um den Bürgerinnen und Bürgern im Land ein kostenattraktives Mobilitätsangebot an die Hand zu geben. In diesem Kontext sprechen wir uns klar für die Einführung eines 365-Euro-Tickets für alle Bevölkerungsteile aus!“, fügt er abschließend an.

Im Rahmen der Bezirkskonferenz hat die IG Metall mit Spitzenpolitiker:innen der Parteien über die Herausforderungen der Zukunft und die Landtagswahl im Oktober debattiert. Mit dabei waren unter anderem Olaf Lies (SPD, Niedersächsischer Umweltminister), Sebastian Lechner (CDU, Generalsekretär in Niedersachsen), Christian Meyer (Bündnis90/Die Grünen, Stellv. Fraktionsvorsitzende im Niedersächsischen Landtag), Dr. Stefan Birkner (FDP, Fraktionsvorsitzender im Niedersächsischen Landtag) und Lars Leopold (Die Linke, Landesvorsitzender).

(Pressemitteilung Nr. 050/2022)

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